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Die Räder des Lebens

Die Räder des Lebens

Titel: Die Räder des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jay Lake
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und Munition und zentnerweise gepökeltes Fleisch und all die anderen Dinge dabei hatten, über die sich mancher Zahlmeister schon den Kopf zermartert hatte. Al-Wazir kaufte sich stattdessen eine Reihe von Totschlägern und Knüppel für die Männer, die er lieber von hinten angriff, und einige anzügliche, französische Bücher, um die Jungs abzulenken. Außerdem legte er sich seine eigenen Schlösser und Ketten zu, zu denen nur er den Schlüssel besaß, für den Fall, dass er jemanden an einem Baum festbinden musste, nachdem er ihn zusammengeschlagen hatte – damit der Mann in Ruhe über seinen Lebenszweck nachdenken konnte.
    Das waren einfach die verschiedensten Varianten von Ausrüstungsgegenständen, die er in den letzten Jahren an Bord gehabt hatte, wie jeder andere Bootsmann auch, und die natürlich niemand je kontrolliert hatte. Die Sachen waren für diejenigen, die nicht zuhören wollten, so sehr man auch mit ihnen redete, und die sich die schlimmsten Prügel von ihren Kameraden nicht zu Herzen nahmen.
    Aber das hier war eine andere Situation. Er war sich nicht sicher, ob er in der Lage wäre, eine so große Gruppe zu kontrollieren. Selbst bei voller Besatzung hatte die Reeperdivision an Bord der Bassett nie mehr als sechzehn Vollmatrosen gezählt. Luftschiffe wurden mit der kleinstmöglichen Besatzung gefahren, und ihre Regeln ähnelten eher denen auf den Segelschiffen in seines Großvaters Zeiten als den Befehlen an Deck eines modernen Dampfschiffs. Es hatte seine Gründe, warum es innerhalb der Royal Navy unterschiedliche Verbände gab.
    Er würde von weniger als zwanzig Matrosen auf über eintausend Männer kommen, wenn erst einmal alle die Mauer erreicht hatten.
    Al-Wazir würde Männer brauchen, die ihm bei seiner Aufgabe halfen, und er brauchte sie dringend. Also kaufte er auch Sachen ein, mit denen er sie würde bestechen können, Tabak und Rum und noch einige dieser französischen Kostbarkeiten, wie etwa Spielkarten und kleine Stereoskopien.
    Diese Gehilfen musste er als Erstes suchen und ordentlich zusammenstauchen, in der Hoffnung, einige der schlimmsten Unruhestifter direkt unter seine Fittiche zu nehmen.
    Am 17. September 1902, einem Mittwoch, fuhr das Dampfschiff Wallachian Prince mit der Flut aus und verließ Gosport kurz nach Mittag. Es glitt in den Ärmelkanal und schlug den Kurs Richtung Mauer ein.
    Threadgill Angus al-Wazir, der sich in seinen Zivilklamotten nicht wohlfühlte, stand mit Hunderten jubelnder Männer an der Reling und sah ihnen zu, wie sie Abschied von England nahmen. Bisher hatte er noch keinen einzigen Mann in Ottweills Mannschaft kennengelernt, der schon einmal an der Mauer gewesen war. Nur einige der Matrosen hatten sie vom Deck eines Schiffs aus in der Ferne gesehen.
    Gosport und Portsmouth lagen bald hinter ihnen. Während das Deck leicht unter ihm schwankte, merkte al-Wazir zu seinem Erstaunen, dass er sich nichts sehnlicher wünschte, als sich in der Luft zu befinden, in einer Uniform, als Befehlshaber seiner Männer. Hier kam er sich vor, als müsse er einen Sack Flöhe hüten.
    Aber er hatte an die Mauer zu gehen. Es war egal, wer wen auf dem Weg gen Süden umbrachte, solange Ottweill nur am Leben blieb und seinem Zweck diente. Das Schiff würde ankommen, es würde entladen werden, und sie würden sich in das Herz der Welt schneiden.
    Es bereitete ihm große Freude, dass der dritte Dampfbohrer den Pier nicht mehr rechtzeitig erreicht hatte. Lass die anderen beiden früher dort ankommen, und lass sie von anderen Männern ausladen. Er musste nicht dabei zusehen, wie sich diese riesigen, metallenen Schwanzspitzen in die Welt bohrten. Er konnte ihnen einfach im Tunnel nachgehen, sich um Affen und Krausköpfe und all den Blödsinn kümmern, den sich Ottweills Matrosen und Eisenbahner und Ingenieur einfallen ließen.
    Und das war nun mal der Job eines Bootsmanns.
    Der Ärmelkanal funkelte in der Mittagssonne. Ein großer Vogelschwarm folgte der Wallachian Prince kreischend, flatternd und gierig. Er fuhr zur See, wo er als Junge angefangen hatte. Die Freude, die ihm eine kräftige Brise und eine ordentliche Bugwelle bescherten, machte einiges wett.
    Childress
    Der Korridor auf der anderen Seite war wie in ihrer Erinnerung – zu eng, zu klein, in allen Dimensionen zu beengt und nasskalt. An der nächsten Luke saß ein Seemann, seiner Kleidung nach zu urteilen, ein einfacher Matrose. Er verbeugte sich und huschte davon.
    Da sie nicht wusste, was sie sonst tun sollte,

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