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Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie

Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie

Titel: Die rätselhafte Reise des Oscar Ogilvie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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gekommen und in ihren Autos zum Bahnhof gefahren, wie normale Reisende? Ich würde es nie erfahren, auf jeden Fall schien niemand so verloren und verwirrt zu sein wie ich.
    Während des Frühstücks vertiefte sich Dutch in die Sportseiten der Evening Post . Er schlürfte zufrieden seinen Kaffee. Plötzlich hielt er ein Messer hoch. »Sie machen das Besteck so groß und so schwer wie möglich«, sagte er, »damit langfingrige Passagiere das Silber nicht unbemerkt in ihren Taschen verschwinden lassen können. Was wirst du zum Frühstück nehmen, Cowboy?«
    Ich schaute in die Speisekarte. »Haferbrei, glaube ich«, sagte ich lahm. Es war das Billigste auf der Liste. Ich hatte nur den einen Dollar von Dad in der Tasche. Ich war so hungrig, dass ich den Teller selbst hätte aufessen können.
    Dutch zog ein Gesicht. »Magst du Haferbrei?«, fragte er.
    »Nein, ich hasse ihn, aber meine Tante Carmen tischt ihn jeden Morgen auf. Ich muss ihn essen, ob ich will oder nicht.« Ich zog den zerknüllten Dollarschein aus meiner Brieftasche und strich ihn mit der Hand glatt.
    Dutch bestellte uns Pfannkuchen mit Speck, ein Luxus, der nie den Weg in Tante Carmens Küche fand. »Das geht auf meine Rechnung!«, sagte er mit Blick auf meinen Dollarschein.
    »Ich habe noch nie jemanden getroffen, der wie ein Filmschauspieler aussieht«, sagte ich zu Dutch.
    »Ich weiß nicht, ob sie mich in Hollywood nehmen würden, Cowboy«, antwortete Dutch. »Wahrscheinlich würden sie sagen: ›Knapp daneben ist auch vorbei, Kumpel! Geh zurück in den Mittleren Westen, wo du hingehörst!‹« Mit einem breiten Grinsen im Gesicht reichte er mir die Comicseite.
    Der Kellner brachte unsere Pfannkuchen mit Speck. Ich schlang sie hinunter wie der hungernde Junge aus Armenien auf unserer Schmerzensreiche-Muttergottes-Spendenbüchse zu Hause in Cairo.
    Dutch hatte die Zeitung zusammengefaltet und legte sie mit der Titelseite nach oben auf den Tisch. Sofort sah ich die Schlagzeile. Unter den riesigen schwarzen Lettern starrte mir mein eigenes Bild entgegen.
    DREIFACHES KAPITALVERBRECHEN!
    MASSAKER AM WEIHNACHTSABEND!
    MORD! RAUB! ENTFÜHRUNG!
    Rasch überflog ich den Bericht:
    24 . Dezember 1931 – Heute Nachmittag gegen 17.00 Uhr brach eine Verbrecherbande in die Bank von Cairo, Illinois, Ecke Washington Avenue und Center Street, ein. Die Räuber erschossen den Nachtwächter, Harold C. Applegate, der auf der Stelle tot war.
    Die Bankräuber entkamen mit einer Beute von $ 50.000 in bar aus dem Tresor. Sie hinterließen keine Spuren. Von der Bande ist nichts bekannt. Die Polizei von Cairo vermutet, dass die Verbrecher einen Jungen entführt haben, der die Bank nach dem Unterricht aufgesucht haben soll, um sich die elektrische Eisenbahnanlage im Foyer anzusehen.
    Die Tante des Jungen, Carmen S. Ogilvie, Freemont Street 41 , Cairo, meldete ihren Neffen um 19.00 Uhr als vermisst. Die Schultasche und der Mantel des Jungen wurden im Foyer gefunden. Man nimmt an, dass er gekidnappt wurde, weil er Zeuge des Verbrechens geworden war. Der Name des Jungen ist Oscar Ogilvie. Er ist 11 Jahre alt und hat rotes Haar und Sommersprossen.
    Hinweise, die auf die Spur der Täter führen, sindan die Polizei oder an Inspektor Gates vom Detektivbüro des FBI in Chicago zu richten.
    Mr Applegate tot! Das konnte nicht wahr sein. Es musste sich um einen Irrtum handeln.
    Das Bild auf der Titelseite war mein Schulfoto: kariertes, bis zum Hals zugeknöpftes Hemd, mein verkrampftes Lächeln, die Sommersprossen deutlich sichtbar und der steile Haarschopf natürlich. Woher hatten sie das Foto? Ich fühlte mich schuldig und wollte nicht, dass Dutch mich erkannte.
    Dutch schaute über den Rand des Sportteils. Hatte er den Bericht gelesen? »Fühlst du dich gut? Wenn ich das sagen darf, du siehst aus wie jemand, der aus einem Fenster im zehnten Stock geworfen wurde und überlebt hat, damit er seine Geschichte erzählen kann.«
    »Ehrlich?«
    Dutch erklärte mir: »Oscar, ich hab viele Jahre als Rettungsschwimmer gearbeitet. Das ganze College hindurch. Hab einen Haufen Leute vorm Ertrinken gerettet. Wenn ich ehrlich sein darf, dein Gesicht hat die Farbe eines Sonntagsschwimmers, der den halben Pool geschluckt hat.«
    »Wenn ich es Ihnen erzähle, werden Sie’s mir nie im Leben glauben«, sagte ich.
    Dutch lächelte. »Einer, der nach Hollywood unterwegs ist, glaubt verdammt noch mal mehr als ein Mister Nobody«, sagte er und schlürfte seinen Kaffee.
    Der Kellner kam zurück und brachte noch

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