Die rätselhaften Worte
Honourable Geoffrey, oder besser gesagt, Lord Pyke-Strengler of the Stang, der nun seinen vollständigen Titel tragen durfte, denn die Haie hatten, wie den Zeitungen zu entnehmen war, immerhin so viele Fleischbrocken von seinem Vater übriggelassen, daß sich ein kleines Begräbnis lohnte.
»Und wer hat nun gewonnen, Mary?« fragte Ambrose Bird die Redakteurin.
»Keine Ahnung«, entgegnete sie.
Bird legte in Vogelmanier den Kopf schief und meinte zweifelnd: »Komm schon, ich bin mir sicher, du und der liebe Percy hier haben dafür gesorgt, daß niemand gewinnt, der eure jungfräulichen Wangen erröten läßt.«
Diese Bemerkung ließ jedenfalls Follows erröten, aber eher vor Zorn als vor Scham, während Mary Agnew lachend erwiderte: »Ich glaube, da verwechselst du mich mit einer anderen Mary, Ambrose. Es stimmt, den ersten Preis erhält eine Geschichte mit dem Charme eines modernen Märchens für Kinder jeden Alters, aber die beiden Geschichten auf Platz zwei sind wesentlich couragierter. Und Charley und Ellie haben die Entscheidung ganz allein getroffen, ohne daß Percy oder ich uns im geringsten eingemischt hätten.«
»Percy hat sich nicht eingemischt? Welch ein Segen«, meinte Bird.
»Manche Leute sind in der Lage, ihre Aufgaben zu erledigen, ohne ihre Nase in die Angelegenheiten anderer Leute zu stecken«, gab Follows bissig zurück.
»Kinder, Kinder, nicht vor den Erwachsenen«, mahnte Charley Penn.
Bird warf Follows einen ärgerlichen Blick zu und meinte dann mit gezwungenem Lächeln: »Charley, du kennst sicherlich den Namen des Gewinners. Gibst du uns einen Hinweis?«
»Da irrst du dich schon wieder, Ambrose«, entgegnete Penn. »Ich weiß, wie die preisgekrönte Geschichte heißt, und ich kenne das Pseudonym des Verfassers, aber nicht seinen oder ihren Namen. Und ich hätte ihn auch nicht rausfinden können, selbst wenn ich gewollt hätte. Mary hat gern alles unter Kontrolle, dagegen ist ein Fraktionsvorsitzender ein Anarchist. Offenbar mußte jeder Einsendung ein verschlossener Umschlag beiliegen, auf dem der Titel der Geschichte und ein Pseudonym steht und der den tatsächlichen Namen des Verfassers und seine Adresse enthält. Diese Umschläge hat sie vor den Preisrichtern gut versteckt. Sie hat sogar Regeln aufgestellt, die die Teilnahmebedingungen regeln. In der
Gazette
hieß es, die Umschläge würden erst dann geöffnet, wenn die Entscheidung gefallen sei. Aber da die ganze Komödie zu einer kleinen Booker-Preisverleihung mutiert ist und live in der Glotze übertragen wird, haben sie und unser Spielberg hier«, er nickte zu John Wingate hinüber, »beschlossen, die Spannung durch die Ankündigung zu steigern, daß die Umschläge erst heute abend geöffnet werden.«
Pascoe und Wield wechselten einen Blick. Ganz korrekt war das nicht. Nachdem feststand, daß die Dialoge nicht Dichtung, sondern Wahrheit enthielten, hatte man die entsprechenden Umschläge zu den Einsendungen herausgesucht und bei dem halben Dutzend Geschichten, deren Schrifttyp dem der Dialoge entsprach, die Umschläge geöffnet und die Verfasser überprüft. Wie Pascoe vermutet hatte, war dies ein fruchtloses Unterfangen gewesen. Aber, wie es in den Mitteilungen der PR -Abteilung immer hieß, hinter dem scheinbaren Glamour der Ermittlungsarbeit steckten Hunderte Stunden zäher, eintöniger Routinearbeit.
Bei diesem Gedanken konnte Pascoe ein Gähnen nicht unterdrücken. »Versuch’s doch öfter mal mit Schlafen«, meinte Wield.
»Würde ich ja gerne, gehört aber nicht zu den Aufgaben eines Inspectors«, antwortete Pascoe. »Vielleicht kann ich das nachholen, wenn ich im Ruhestand bin.«
»Wie der gute alte George?«
»Ich glaube, der ist noch in Übung. Tut mir leid. Das war nicht besonders menschenfreundlich. In letzter Zeit sieht er gar nicht gut aus, oder? Ich hoffe, es geht ihm nicht wie diesen armen Teufeln, die sich auf die Rente freuen, und wenn es dann soweit ist, peng!«
»Ganz deiner Meinung. Ich habe ihn immer für den geborenen Rentner gehalten. Ein Häuschen im Grünen, ein bißchen Rosenzucht, die Memoiren. Ein geruhsamer Lebensabend.«
»Vielleicht trifft es ihn jetzt mit voller Wucht. Über dreißig Dienstjahre hat er auf dem Buckel. Was hat er sich damals wohl erhofft? Jetzt ist er hier und fragt sich, wo die Zeit geblieben ist und wie es kommt, daß alle diese ruhmreichen Wege ihn nicht zu den Fleischtöpfen geführt haben. Er kann ja wohl nicht vorgehabt haben, als Detective Inspector in den
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