Die rätselhaften Worte
er irgendwas Bedrohliches tut, wenn du weißt, was ich meine.«
Sie sah ihn spöttisch an. »Du bist ein treuer Diener deines Herrn, Constable Bowler. Hast du schon überlegt, was du mit Georgie Porgie anstellst?«
Auch zu diesem Thema hatte Wield sich geäußert. Angela Ripley hatte noch zwei- oder dreimal angerufen. Wield selbst hatte ein Gespräch entgegengenommen. Anscheinend nahm sie ihm nicht ganz ab, daß Bowler wirklich krank sei. Der Sergeant hatte kurz geschwiegen, damit Bowler eine Erklärung dazu abgeben konnte, aber als Hat schwieg, drängte Wield ihn nicht weiter. Und Wield hatte ihm nicht erzählt, daß er mit Rye über Charley Penn gesprochen hatte.
Diskretion oder Mißtrauen?
»Hast du deine Zunge verschluckt?« fragte Rye.
»Tut mir leid. Nichts werde ich mit dem Detective Inspector anstellen«, erwiderte Hat trotzig. »Angela Ripley fliegt heute zurück in die Staaten. Ich sehe keinen Grund, warum ich George seine Abschiedsparty verderben sollte.«
Plötzlich küßte sie ihn wieder.
»Und du bist auch ein prima Kerl«, sagte sie. »Wollen wir jetzt los und uns ein paar Vögel anschauen?«
An diesem Tag wechselte Sonnenschein mit leichten Schauern. Ein frischer Westwind jagte die Wolken über den Himmel und ließ das Laub vor dem MG über die Straße tanzen. Aus diesem Grund hatte Hat das Verdeck geschlossen, aber Rye meinte: »Können wir es nicht aufmachen?« Und als sie losfuhren, hatte sie ihre Baskenmütze abgenommen, die Augen geschlossen, den Kopf zurückgelehnt, und sie sah dabei so glücklich aus, daß Hat das tanzende Herbstlaub wie Rosenblätter auf dem Weg eines Hochzeitspaares erschien.
Paß auf, mein Junge, witzelte er in Gedanken, sie bringt dich noch dazu, Gedichte zu schreiben. Und das dir, wo du bei Poesie nie über »The Good Ship Venus« hinausgekommen bist.
Immerhin fiel ihm ein Zweizeiler ein:
Ich fuhr aus mit Raina.
Kein Spatz, kein Specht ist schöner.
Er lachte in sich hinein, aber sie merkte es.
»Komm schon«, rief sie gegen den brausenden Wind an. »Heute teilen wir alles.«
Er sagte sein Gedicht auf. Es klang zwar nicht komisch, aber sie lachte aus vollem Hals.
Ermutigt fragte er: »Wenn wir uns heute alles anvertrauen, wie wär’s mit deiner Lebensgeschichte? Wie kommt es, daß du Bibliothekarin geworden bist?«
»Was ist denn schlecht an diesem Beruf?«
»Nichts«, versicherte er ihr. »Höchstens vielleicht ein Imageproblem. Ich meine nur, mit deiner Familie und deinem Aussehen hättest du doch eigentlich beim Theater landen müssen. Raina Pomona – wenn je ein Name wie fürs Rampenlicht geschaffen war, dann deiner!«
Sie sagte etwas, aber der Wind trug es fort.
»Wie bitte?« rief er.
»Ich sagte, es gab mal eine Zeit, vielleicht … aber das war in einem anderen Land, und außerdem ist das Frauenzimmer gestorben.«
Sie lachte, als sie das sagte, nicht wie zuvor, sondern hart wie der Wind, der den Silberstreifen in ihrem Haar herumwirbelte wie einen Hecht in einem dunklen Teich.
»Alles okay?« fragte er. »Soll ich nicht doch das Verdeck zumachen?«
»Nein«, rief sie. »Auf keinen Fall. Fährt die Kiste eigentlich nicht schneller?«
»Wie schnell hättest du’s denn gerne?«
»So schnell du magst«, sagte sie.
»Gut.«
Sie hatten die Hauptstraße inzwischen verlassen und fuhren auf einer schmalen Nebenstrecke.
Er trat aufs Gaspedal, und die Hecken flogen nur so vorüber. Aber als guter Fahrer wußte er, daß er zu schnell fuhr, nicht für die Kurven, die ließen sich fahrtechnisch bewältigen, sondern für unerwartete Hindernisse, die dahinter auftauchen mochten.
Aber Rye lehnte sich an ihn, den rechten Arm um seine Schulter gelegt. Ihre linke Hand umklammerte seinen Unterarm, ihr Mund war so nah an seiner Wange, daß er spürte, wie sich ihr warmer Atem mit dem kalten Wind vermischte, der ihnen entgegenschlug.
Er nahm eine weite Linkskurve, die eigentlich keine Probleme bereitete – er mußte nicht einmal vom Gas gehen. Aber als sie die Biegung hinter sich ließen, sprang ein Reh über die Hecke auf der rechten Straßenseite, blieb stehen, als es sie heranjagen sah, und erreichte mit einem Satz mühelos die Wiesen zur Linken.
Eigentlich bestand keine Gefahr, dennoch trat Hat instinktiv auf die Bremse, nur für eine Sekunde – aber da der Wagen noch nicht geradeaus fuhr und feuchtes Laub auf der Straße lag, kamen sie ins Rutschen. Es war nicht weiter schlimm, mit so etwas wurde er im Schlaf fertig. Aber die Straße war
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