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Die rätselhaften Worte

Die rätselhaften Worte

Titel: Die rätselhaften Worte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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erwiderte Rye kühl. »Gibt es noch etwas, was ich nicht gesagt habe und womit ich dich beleidigt habe?«
    So hatte er sich den Auftakt ihres Rendezvous nicht vorgestellt. Zeit für einen Themenwechsel.
    »Du siehst toll aus«, meinte er und ließ den Blick über ihr gelbes Top und die dunkelroten Shorts wandern. »Ein wahrer Augenschmaus für die Vögel.«
    Sie zog ein Gesicht, als hätte sie gerade in eine Zitrone gebissen, was nicht die erwünschte Reaktion auf diese früher ziemlich erfolgreiche Masche darstellte, aber immer noch besser war als eine frostige Abfuhr.
    »Komm lieber rein, bevor dich jemand sieht und die Polizei alarmiert«, witzelte sie. »Wie du wohl schon erraten hast, bin ich noch nicht fertig. Du bist ein bißchen früh dran, oder?«
    Er folgte ihr in die Wohnung. Es gibt da diese alten Filme, dachte er, wo ein junger Mann mit dem Auto bei seiner Auserwählten vorfährt, auf die Hupe drückt und gleich darauf erleben kann, wie sie mit strahlendem Lächeln die Treppe hinuntereilt, in der Hoffnung, daß sie ihn nicht hat warten lassen. Aber diese nostalgischen Gedanken behielt er lieber für sich. Ebenso verkniff er sich die Bemerkung, daß er keineswegs zu früh dran war, sondern so superpünktlich, daß man eine Atomuhr nach ihm hätte stellen können.
    Statt dessen setzte er sich und sagte: »Ich hab’ dich gestern abend im Fernsehen gesehen.«
    »Wirklich? Da mußt du aber scharfe Augen haben.«
    »Vogelkundleraugen. Ich erkenne eine Rotdrossel auf 300 Schritte. Übrigens, ich weiß ja nicht, ob das für Mädchen auch gilt, aber meine Mutter hat mich immer ermahnt, ich solle keine Grimassen ziehen, das würde sich im Gesicht festsetzen.«
    Das half. Die neuerliche Saure-Zitronen-Miene wich einem breiten Grinsen.
    »Du glaubst wohl, es fällt mir leicht, ein finsteres Gesicht zu machen, wo ich doch eigentlich …«
    »Was?«
    »Eher so was vorhatte.«
    Sie beugte sich über ihn und küßte ihn auf die Lippen – nur ganz leicht, aber ihre Zunge war zu spüren.
    Das war ja noch besser als ein lächelndes Mädchen, das die Treppe hinunter zum Wagen eilt.
    »Ein paar Minuten noch, dann bin ich fertig«, sagte sie.
    Er vermutete, daß die Tür, durch die sie verschwand, zu ihrem Schlafzimmer führte, und malte sich aus, ihr zu folgen. Nein, beschloß er. Dieser Kuß war ermutigend, aber keine Aufforderung. Außerdem war es ziemlich mühselig, diese Moleskinhosen auszuziehen, und er wünschte sich, in ferner Zukunft nicht an die Komik, sondern an die Leidenschaftlichkeit ihres ersten Mals zurückdenken zu können.
    In ferner Zukunft.
    Warum war er so sicher, daß es eine gemeinsame Zukunft geben würde, in der sie sich an das erste Mal erinnern würden?
    Weil er sich eine Zukunft ohne sie nicht vorstellen konnte.
    »Was war da eigentlich gestern abend los?«
    »Was, wo, wer?«
    »Tu nicht so. Das mit deinen beiden Kollegen, Dorian Gray und dem vom Dachboden.«
    Er löste das Rätsel.
    »Chief Inspector Pascoe und Sergeant Wield«, sagte er. »Du meinst, bei der Bekanntgabe der Preisträger?«
    Er hatte es im Fernsehen gesehen. Und er hatte weitere Einzelheiten erfahren, als er morgens in der Zentrale angerufen und mitgeteilt hatte, daß er soweit gewesen sei, um sich seinen freien Tag zu nehmen – eine Vorsichtsmaßnahme, die er bei einer Frau wahrscheinlich als weibliche Logik verlacht hätte.
    »Also, jetzt weißt du, wer, was, wo«, meldete sich Rye aus dem Schlafzimmer. »Als dieser unheimliche Roote auf die Bühne kam, um seinen Preis in Empfang zu nehmen, haben ihm der Schöne und das Biest nachgeschaut, als würden sie ihm am liebsten die Extremitäten mit dem Schlagstock massieren. Zumindest dieser Hübsche hat so ausgesehen. Der andere macht wahrscheinlich immer so ein Gesicht.«
    »Ja, da steckt eine alte Geschichte dahinter«, erklärte Hat.
    Sie kam aus dem Schlafzimmer. Statt Top und Shorts trug sie nun Jeans und einen unförmigen braunen Pullover. Ihre braune Haarpracht verbarg sich unter einer olivgrünen Baskenmütze.
    »Und, bin ich so immer noch ein Augenschmaus für die Vögel?« fragte sie herausfordernd.
    »Nur, wenn sie Verstand haben.«
    Sie nickte zufrieden. »Gute Antwort. Und was hat es mit dieser alten Geschichte auf sich? Was war gestern abend los, daß sich alles so zugespitzt hat? Hat es was mit den Überwachungskameras zu tun?«
    »Woher weißt du jetzt das schon wieder?«
    »Der häßliche Sergeant hat mich noch einmal über den Morgen ausgefragt, an dem ich den

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