Die rätselhaften Worte
Mädchen vom Fernsehen hergezogen bist. Ich dachte, wir haben eine Vereinbarung: Dienstliches erst nach dem Sex. Dann kannst du dir alles von der Seele reden, und ich kann einschlafen.«
»Wäre ja nett gewesen, wenn ich eine Chance gehabt hätte«, grummelte er.
»Die hat sich genauso verflüchtigt wie unser netter gemeinsamer Abend. Ich bin ja immer zu Experimenten mit neuen Vorspielvarianten aufgelegt, nur bei diesem Polizeikram vergeht mir wirklich die Lust. Aber ich akzeptiere die Entschuldigung.«
»Großartig. Dann machen wir doch was anderes aus. Du hast freie Wahl. Egal, was du vorschlägst, ich verspreche, du wirst mich für einen Normalbürger halten.«
»Das hast du gesagt. In Ordnung, heute morgen habe ich ein paar Einladungen erhalten. Zum Beispiel eine zum Regimentsball meines Sohnes. Er findet am Samstag in vierzehn Tagen draußen in Haysgarth statt, das ist der Landsitz von Budgie Partridge. Er ist der Ehrenkommandeur des Regiments …«
Caps Sohn aus ihrer geschiedenen Ehe war Lieutenant-Colonel Piers Pitt-Evenlode von den Yorkshire Fusiliers; einer Auszeichnung mit dem Military Cross verdankte er den Spitznamen »der Held«.
»Budgie? Für uns Bürgerliche Lord Partridge, hab’ ich recht?«
»Tut mir leid. Ich kenne ihn aus einem früheren Leben.«
Dieses frühere Leben war die Ehe mit einem Mitglied des Landadels gewesen, aus der der Held hervorgegangen war und die zu Selbsterkenntnis, Desillusionierung, Rebellion, Scheidung und schließlich zu Dalziel geführt hatte.
»Ich bin ihm in diesem Leben auch schon mal begegnet«, erklärte der Dicke, »aber ich glaube kaum, daß er sich an mich erinnert. Und die andere Einladung?«
»Die ist für die Vernissage zu der Kunst- und Kunsthandwerksausstellung in der Galerie des Kulturzentrums. Samstag in einer Woche.«
»War’s das schon? Und niemand will, daß du eine Brauerei oder so was einweihst?«
»Du hast die Wahl«, sagte sie unnachgiebig. »Entweder Zinnsoldaten und Champagner-Cocktails oder Aktgemälde und billiger Weißwein.«
Nach kurzem Nachdenken entschied er: »Ich hab’ zwar nicht viel Ahnung von Kunst, aber ich weiß, was mir gefällt. Ich nehme die Schmuddelbilder.«
*
Hat Bowler gähnte ausgiebig.
Er hatte eine unruhige Nacht hinter sich. Sein Bett war auf einem stürmischen Ozean aus Bier und Campari getrieben, und vom Himmel hatten trübe rote Sterne auf ihn herabgestarrt, die alle die anklagende Intensität von Andy Dalziels Blick besaßen. Danach war er ziemlich früh aufgestanden und zur Arbeit gegangen, wo er anhand seiner Notizen den Bericht verfaßte, der, was durchaus beabsichtigt war, George Headingley so beunruhigte. Franny Rootes Name stand nicht auf der Reservierungsliste der Taverna. Er prüfte seine Gründe, warum er ihn lieber nicht erwähnen wollte, und stellte, wenn auch mit leichter Nervosität, fest, daß sie ihm jetzt am Morgen noch genauso triftig erschienen wie am Abend zuvor – nach der Begegnung mit Dalziels wütendem Blick vielleicht sogar noch triftiger. Dann war er – teils, um nicht dabeisein zu müssen, wenn Headingley den Bericht las, teils, um seinen Eindruck zu bestätigen, daß Pascoe sich grundlos in die Hosen machte – in die Vorstadt hinausgefahren, wo Franny Roote wohnte, und hatte die Überwachung fortgesetzt.
Hier gab es, wie er erfreut feststellte, nichts, was einen jungen Kriminalbeamten aufgerüttelt hätte. Für einen verurteilten Verbrecher und mutmaßlichen Racheengel führte Roote wirklich ein unglaublich langweiliges Leben. Der Kerl stand morgens auf, setzte sich in seine Schrottkarre (Korrektur: Es sah aus wie eine Schrottkarre, aber der Motor schnurrte wie eine Nähmaschine), fuhr zur Arbeit und schuftete den ganzen Tag. Den Abend verbrachte er meist in der Universitätsbibliothek, wo er las und sich Notizen machte. Seine Freizeitgestaltung erschöpfte sich in einem Erste-Hilfe-Kurs, einem gelegentlichen Restaurantbesuch (zum Beispiel in der Taverna, verdammter Mist) oder einem Kinoabend, immer allein. Nein, das war nun wirklich ein Langweiler. Und Wield hatte behauptet, er hätte Adleraugen! Der Sergeant war gewiß ein bewundernswerter Mann, auf den man hören sollte, aber von Vögeln verstand er nicht viel, überlegte Bowler selbstgefällig, während er beobachtete, wie Roote mit solcher Konzentration einen Rosenbusch beschnitt, daß es ihm wahrscheinlich nicht einmal aufgefallen wäre, wenn ein ganzes Kamerateam angerückt wäre, um ihn zu filmen.
Am besten
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