Die rätselhaften Worte
hoffte, man würde es ihm nicht ansehen. Sie hatte ja schon bemerkt, wie er auf ihre Sympathie für Dee reagierte. Wenn sich in ihr der Eindruck verfestigte, er sei ein besitzergreifender Spinner, dann konnte er all seine Hoffnungen in den Wind schreiben.
Schließlich gab sich Pascoe zufrieden.
Sie gingen hinaus und ließen die beiden Bibliotheksangestellten im Büro zurück. Neben der Ausgangstür setzten Bird und Follows ihren Streit fort, während Ruddlesdin sie mit weltverdrossener Gleichgültigkeit musterte und dabei auf einer kalten Zigarette herumkaute. Die Auseinandersetzung verstummte, als Pascoe »Meine Herren!« rief. Alle drei kamen auf ihn zu.
Er trat beiseite, um sie ins Büro zu lassen.
»Ich bin hier fertig«, sagte er. »Vielen Dank, daß Sie so geduldig gewartet haben.«
Dann schloß er zu Hats Erheiterung und Bewunderung die Tür hinter ihnen und bewegte sich mit so raschen Schritten zum Ausgang, daß es fast aussah, als ob er rennen würde.
Ruddlesdin holte sie gerade noch ein, bevor sich die Tür des Aufzugs zum Parkhaus schloß.
»Ein Kommentar, Pete«, keuchte er. »Nur einen kurzen Kommentar.«
»Rauchen gefährdet die Gesundheit«, sagte Pascoe.
»Wohin fahren wir?« fragte Hat, als sie ins Auto stiegen.
»Zu Charley Penn natürlich«, antwortete Pascoe.
Penns Wohnung befand sich im obersten Geschoß eines in Apartments aufgeteilten edwardianischen Stadtpalais. Es war von oben bis unten eingerüstet und hallte von den Rufen, dem Poltern, dem Hämmern und den Radioklängen wider, die der Welt verkünden, daß der britische Handwerker sein Geld wert ist.
Penn war gerade im Gehen begriffen. Mit finsterem Blick kehrte er um und führte sie in seine Wohnung. »Hält man das für möglich? Ich bin aus der Bibliothek geflohen, weil ich fürchtete, sie würde bald von den schweren Tritten der Ordnungshüter erzittern und man könne dort nicht mehr arbeiten. Und da bin ich in dieser Hölle gelandet.«
»Aber Sie müssen doch gewußt haben, daß hier gearbeitet wird«, sagte Pascoe.
»Als ich wegging, hatten sie noch nicht angefangen. Ich dachte, am Samstag morgen weigern sich die Kerle vielleicht, aus ihren Kojen zu kriechen, wenn sie nicht den vierfachen Stundenlohn bekommen.«
»Was machen sie denn?«
»Der Hausbesitzer bringt das Gebäude auf Vordermann. Er hofft, fünfmal soviel zu bekommen, wie er ein paar Jahre zuvor bezahlt hat, wenn er die Wohnungen einzeln verkauft.« Der Schriftsteller grinste tückisch und entblößte dabei seine unregelmäßigen Zähne. »Aber da muß er erst mich loswerden.«
Während dieses Austauschs von Höflichkeiten sah sich Hat um.
Soweit er ausmachen konnte, ohne allzu neugierig zu wirken, bestand die Wohnung aus einem Schlafzimmer, einem Bad, einer Küche und dem Raum, in dem sie sich jetzt befanden. Mit ihren hohen Decken und dem großen Erker, der (trotz des Gerüsts) einen guten Blick über die interessante Dachlandschaft der Altstadt erlaubte, besaß sie eine Großzügigkeit, die selbst die Sedimentschichten eines eingefleischten Büchermenschen nicht überlagern konnten. Im Erker stand ein gewaltiger Schreibtisch, dessen Platte über und über mit Papieren und Büchern bedeckt war, die sich auch auf dem Boden im Umkreis von mehreren Metern in alle Richtungen ausbreiteten. Auf der anderen Seite des Zimmers stand ein alter, mit grünem Stoff bezogener Kartentisch mit drehbarer Fläche. Darauf lag sehr ordentlich ein großes Spielbrett in Form eines fünfzackigen Sterns ausgebreitet, das in Quadrate unterteilt war, einige davon bunt, andere mit seltsamen Symbolen versehen. Daneben stand ein Tellerchen mit Buchstabensteinen und drei hölzernen Bänkchen.
Das muß wohl das Lieblingsspiel von ihm und Dee sein, dachte Hat. Beide haben ein eigenes Brett! Vielleicht gab es ja noch mehr. Sicher hatte auch Dee eines zu Hause, und Gott weiß wo sonst noch.
Dann richtete sich seine Aufmerksamkeit auf die Wand hinter dem Tisch, an der ein gerahmtes Foto hing. Es zeigte drei Jungen, die einander die Arme um die Schultern gelegt hatten. Es war dasselbe Bild, das er auf dem Schreibtisch von Dick Dee gesehen hatte, nur, daß es sich um einen größeren Abzug handelte. Die Vergrößerung hatte die Unschärfe der schlechten Aufnahme noch betont. Das bewirkte einen merkwürdig jenseitigen Effekt, der die drei wie eine Traumerscheinung aussehen ließ. Sie standen auf einer Wiese, im Hintergrund sah man Bäume und ein großes Gebäude mit Zinnen, das wie ein
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