Die rätselhaften Worte
ziemlich alt sein. Penn ist auch nicht mehr der Jüngste«, sagte Hat.
»Ach, Charley ist gar nicht so alt, wie er aussieht«, erwiderte Dalziel. »Kontinentaler Teint, weißt du. Die altern nicht halb so gut wie wir einheimischen Gewächse. Er bildet sich was drauf ein, daß man ihn für einen Engländer hält, aber man merkt es ihm doch noch an, daß er nicht von hier stammt. Doch das ist noch lange kein Grund für fremdenfeindliche Vorurteile. Er mag vielleicht aussehen wie der gute alte Axtmörder, aber ich sehe hier einfach kein Motiv, nicht einmal in der Dämmerung und bei Gegenlicht. Du hast gehört, was er über Ripley gesagt hat. Sie haben sich den Versöhnungskuß gegeben und die Sache eingerenkt.«
»Ja, Sir. Aber wenn er sie doch … ja, gerade wenn er sie ermordet hätte, dann würde er genau das behaupten, oder nicht?«
Dalziel lachte: »Langsam fängst du an zu denken wie ein Bulle, mein Junge. Nein, selbst wenn er in diesem Punkt gelogen hat, er bräuchte immer noch einen besseren Grund als den, daß sie vor fünf Jahren seine Bücher verrissen hat. Auch wenn ich ihm nicht abnehme, daß das der wahre Grund für seine Attacke war. Was ihn wirklich gefuchst hat, war wohl, daß sie meinte, er würde die Schwarte über diesen Heinz nie zu Ende bringen.«
»Heine«, korrigierte Bowler.
»Meinetwegen über beide«, antwortete Dalziel. »Wie auch immer, nachdem er nun erklärt hat, daß alles gut läuft, peng, ist auch dieses Motiv futsch, wenn’s überhaupt jemals eins war.«
»Da komme ich nicht ganz mit …«
»Wenn man sich darüber ärgert, daß jemand sagt, du schaffst etwas nicht, dann zeigt man’s ihm, indem man ihm das Gegenteil beweist, nicht, indem man ihn umbringt. Nur wenn du denkst, es könnte doch was dran sein, wirst du handgreiflich – weshalb ja Charley sich auch vom Dessertwagen bedient hat. Aber jetzt, wo er erklärt, er sei so gut wie fertig, und sie den Friedensvertrag im Bett besiegelt haben, was hätte das noch für einen Sinn?«
»Aber der Punkt beim Wordman ist doch, daß er kein Motiv braucht, jedenfalls nicht im klassischen Sinn. Er hat was anderes im Kopf«, argumentierte Hat, der Penn nicht so rasch von der Liste der Verdächtigen streichen wollte.
»Ach? Ich hätte nicht erlauben sollen, daß du diesen beiden diplomierten Schafsköpfen zuhörst«, sagte Dalziel. »Demnächst kommst du noch mit einem Täterprofil an. Und wie paßt denn deiner Meinung nach Charley Penn in diese Geschichte?«
Dalziels Ton wirkte skeptisch und spöttisch, doch Bowler spürte, daß die Frage ernst gemeint war. Der Dicke wollte ihn auf die Probe stellen.
Hat rief sich in Erinnerung, was Rye ihm über Penn erzählt hatte, und sagte: »Er hat das Gefühl, er sei seit zwanzig Jahren oder mehr von seiner wahren Bestimmung abgehalten worden, weil er sich seinen Lebensunterhalt mit historischen Schmonzetten verdienen mußte.«
»Und das hat ihn meschugge gemacht? Dann müßten aber sämtliche Romanschriftsteller ein wenig neben der Schüssel stehen. Womit du recht haben könntest.«
»Ja, Sir. Aber die wahre Bestimmung, die Penn versagt geblieben ist, besteht nicht darin, mit unserer heutigen Realität klarzukommen. Nein, er möchte über etwas schreiben, was ein anderer Schriftsteller in jener Zeit geschrieben hat, in der seine Romane angesiedelt sind. Ich will sagen, er erweckt den Eindruck, als wäre er sehr direkt und diesseitig, ein wenig zynisch vielleicht, wie die Leute hier in Yorkshire so sind, schlichte Gemüter halt …«
Er bemerkte, daß ihm der Dicke einen scheelen Blick zuwarf, und fuhr hastig fort.
»… aber im Grunde ist das doch Schauspielerei, oder? Er ist kein schlichtes Gemüt, er ist auf eine Eliteschule gegangen, und er ist nicht mal Engländer. Und wenn man sich anschaut, worin sein Seelenleben besteht, dann hat er sich längst von der Realität verabschiedet, wenn Sie mich fragen. Darum geht’s doch in unserem Beruf, oder? Manchmal wenigstens. Herauszufinden, was wirklich in den Leuten vorgeht, was sie vor uns verbergen wollen. Ich weiß, wir alle haben viel zu verbergen, und es ist nicht leicht, herauszukriegen, was jemand wirklich fühlt oder denkt. Aber ein Schriftsteller, ein Künstler, muß mit seinem Seelenleben sehr viel offener umgehen als andere Menschen, denn das will er uns ja verkaufen.«
Atemlos hielt er inne. Er spürte, daß seine Zunge mit ihm durchgegangen war, wodurch er gewiß all seine mühsam errungenen Fortschritte zunichte gemacht
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