Die Rättin
und Widmungstassen. So viele mit Fleiß gefertigte Kleinigkeiten. Ein Sekretär der staatlichen Post brachte einen Brieföffner mit Bernsteingriff. Die Delegation von der Leninwerft, zu der Stephan Bronskis Söhne gehören, ist mit einem Geschenk gekommen, das bald von anderen Geschenken verstellt wird, absichtlich, obgleich des Staates Vertreter schon gestern nach Warschau zurückgeeilt sind.
Dieses Geschenkes wegen gab es Streit, der unterschwellig andauert. Dabei sah und sieht die kunstvoll geschmiedete Eisenschrift, deren Buchstaben wie handgeschrieben das Wort: »Solidarno[« bilden und deren »n« mit dem Schlußbalken eine weißrot emaillierte Fahne hochhält, wie Zimmerschmuck aus, der rechts vom Herz-Jesu-Bild Platz finden könnte; doch hätte dieses Geschenk nicht nur den Regierungsbeamten aus Warschau mißfallen, auch der Prälat nannte den schmiedeeisernen Schriftzug zwar eine gute Arbeit, von edler Gesinnung bestimmt, doch dem aller Politik enthobenen Festtag nicht angemessen. Heute möge die alltägliche Not vor der blumengeschmückten Tür bleiben, sagte er sinngemäß. Und mit ähnlichen Worten widerspricht Stephan Bronski seinen Söhnen. Nicht in der Guten Stube, doch vor dem Haus und in die Küche hinein wird schon wieder gestritten, bis mit Chauffeur im Mercedes unser Herr Matzerath eintrifft. Sogleich in den heillosen Zwist vermengt, gelingt es ihm, der gerne grundsätzlich spricht, mit dem Satz »Uns Kaschuben hat die Politik zwar viele Gedenktage, doch wenig Segen gebracht« wie nebenbei einige Spitzen des Streites um die von Staats wegen verbotene Gewerkschaft zu kappen. Am Ende kehrt nur noch Kasimir Kurbiella, der in Mombasa Kasy genannt wird, den ehemaligen Matrosen hervor. Unterm Kastanienbaum fordert er die Wiederzulassung von Solidarno[, worauf Stephan Bronski, von Herrn Stomma unterstützt, mehrmals laut der Ordnung nachsagt, daß sie nicht nur herkömmlich auf deutsch, vielmehr auf polnisch auch herrschen müsse. Zuguterletzt beschwichtigt der Prälat aus Oliva die ordnungsliebenden und die gewerkschaftlichen Kräfte, indem er beiderseits segnend die Position der Kirche bezieht.
Nun erst trägt Bruno, der auch in der niedrigen Guten Stube seine Chauffeursmütze nicht abnimmt, nacheinander alle Geschenke ins Haus, die sich Anna Koljaiczeks Enkelsohn während längerer Kuraufenthalte in Baden-Baden und Bad Schinznach, desgleichen auf numismatischen Reisen ausgedacht hat. Bruno läßt sich nur ungern beim Auspacken helfen. Merkwürdig, daß er die Bindfäden aufwickelt und einsteckt. Niemals erlaubt er der Schere, Zeit zu sparen. Für jeden Knoten Geduld. Endlich sind alle Hüllen gefallen. Inzwischen durften die Kaschubenkinder alle niedergebrannten Kerzen ausblasen. Rasch wird für Oskars Geschenke Platz geschaffen. Viel Beifall für den, wie Herr Matzerath betont, vierundneunzig Zentimeter hohen Baumkuchen, der von Frau Stomma aus Gelsenkirchen sogleich hausfraulich angeschnitten wird: hauchdünne Scheibchen für jedermann. Die Kaschuben lassen sich das von feinster Schokolade geäderte Gebäck wie Hostien auf der Zunge zergehen.
Alle staunen, sobald Bruno das nächste Geschenk, eine Polaroidkamera demonstriert, mit der man von so oder so gruppierten Gästen und, wie Herr Matzerath betont, »von unserem lieben Geburtstagskind«, Fotos machen kann, die, kaum geknipst, aus dem Apparat gezettelt und betrachtet werden dürfen: wie sie, anfangs matt, zusehends ihr Motiv hochglänzend preisgeben, bis jeder jeden und verblüfft sich selbst erkennt.
Dann wird ein Säckchen belacht, das ausgeleert hundertunddreißig weißblaue Plastikzwerge freigibt, die für die vielen nachgewachsenen Kaschubenkinder bestimmt sind. Großes Hallo, weil Mister Bruns feststellt und Lady Bruns lächelnd bestätigt, daß einem Gutteil der Schlümpfe das Gütezeichen »Made in Hongkong« in die Schlumpfsohlen gestanzt ist, was beweist, daß gut die Hälfte der Schlümpfe aus Bruns' ureigener Spielzeugfabrikation stammen könnte und was alle Gäste bejahen wie klein die Welt ist.
Nach all diesen Gaben für die Kaschuben und deren Kinder kommt zum Schluß eine lackierte Schatulle zur Ansicht, in deren elf Schubladen hundertundsieben Goldmünzen auf weißem Sammet gebettet liegen, die alle einzig des Geburtstagskindes Schatz sein sollen. Auf Befragen erklärt Herr Matzerath die Goldstücke. Er unterscheidet Louisdor, Maxdor, Friedrichdor. Diese hier seien, sagt er, in der Schweiz, jene in Südafrika, das und das Stück
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