Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rättin

Die Rättin

Titel: Die Rättin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Grass
Vom Netzwerk:
Hexe duldet, daß der Hausknecht Rübezahl seinen Kopf zwischen ihre Titten drängt. Rotkäppchen will wieder in den Wolf kriechen; doch Hänsel hält alle, die sich verkrümeln wollen, mit dem Ruf »Hier wird nicht ausgestiegen!« zurück.
Und jetzt kommt guter Rat. Mit Hilfe eines längeren Untertitels sagen abwechselnd Hänsel und Gretel: »Seid nicht traurig. Wir wissen Hilfe. Die Grimmbrüder, deren Bilder aus alter Zeit an euren Wänden hängen, sind heute Minister und Staatssekretär. Sie sitzen in einem Sonderministerium. Beide sind für das Waldsterben zuständig. Die sind immer noch ziemlich nett. Die Grimmbrüder werden euch helfen. Noch ist es nicht zu spät. Laßt euch das nicht gefallen. Hörst du, Hexe! Ohne Wald seid ihr erledigt. Ohne Wald gibt es euch nicht. Wehrt euch! Hört ihr: Wehrt euch!«
Die Sieben Zwerge stimmen als erste ein: »Wehrt euch! Wehrt euch!« Jetzt rufen auch andere. Aufregung herrscht im Knusperhäuschen, Aufbruchstimmung bald darauf vor dem Haus. Rübezahl und die Sieben Zwerge schieben einen alten Ford aus den Stallungen. Da aber das Automobil seit langem leer und trocken steht, muß die Hexe für Benzinersatz sorgen; das kann sie nach altem Rezept.
Unter Hallo und Gelächter wird die Hexe auf die Kühlerhaube des alten Ford gehoben. Sie hockt sich über einen Trichter, rafft ihre Röcke, zielt und pißt genau in den Trichter, daß es bald darauf im Tank plätschert. Sogar das Mädchen mit den abgehauenen Händen erlaubt seinen Händen, Beifall zu klatschen. Alle freuen sich, nur die Großmutter schimpft und verlangt, daß sich Rotkäppchen abwendet. Es könnte sich auch die Böse Stiefmutter konsterniert zeigen. Erstaunlich: Jorinde und Joringel lächeln. Die Hexe pißt lange und schielt dabei aus bernsteinfarbenen Augen. Die Zwerge rufen: »Mehr, Hexe, mehr!« Endlich hat sie auf Hexenart den alten Ford aufgetankt.
Nun bestimmt Rumpelstilzchen die Delegation. Da die Böse Stiefmutter, weil von der Hexe dazu ermuntert, ihre Teilnahme verweigert »Aufmerksam werde ich alles von hier aus verfolgen !« —, setzen sich Dornröschen und ihr wachküssender Prinz auf die Rücksitze des Automobils. Einer der Zwerge wird durch Knobeln unter den Sieben ausgelost. Er nimmt als Beifahrer Platz, Rumpelstilzchen am Steuer. Zuguterletzt möchte Rapunzel mit: »Ich will auch in die Stadt und was Tolles erleben!«»Ich auch!« ruft Rotkäppchen und schubst Schneewittchen, das »Und ich?« ruft. Keine darf mit, auch nicht das Mädchen, dessen abgehauene Hände Bittebitte machen.
Vor der Kühlerhaube wirft Rübezahl mit einer Kurbel den Motor an. Das Hexenbenzin hat an Qualität nicht verloren. Die Zündung zündet, der Motor springt an, der alte Ford rollt. Langsam fährt er zwischen Waldsee und Rehgehege aus der Lichtung.
Weil Gretel (die nach Meinung unseres Herrn Matzerath in den Froschkönig vergafft ist) zuvor einen Eimer Wasser in den Brunnen geschüttet hat, springt der Frosch von der Stirn der Dame in den Brunnen und steigt als Froschkönig aus dem Brunnenloch.
Er, die damenhafte Prinzessin, Hänsel und Gretel, alle winken und rufen dem alten Ford nach. Sogar die abgehauenen Hände flattern und winken an ihrer Schnur. Die restlichen sechs Zwerge rufen dem Automobil das Reiseziel nach. »Auf nach Bonn!« heißt der wegweisende Untertitel, als sei in Bonn die Rettung zu Hause.
    Zu spät, zu spät! höhnte sie und nahm meinen Traum ein. In einem toten Baum hockte die Rättin mal hier, mal da und rief: Da hättet ihr euch früher auf die Socken machen müssen. Da hättet durch Schaden ihr endlich klug werden müssen. Da hättet und hättet ihr! Die sterbenden Wälder, geschenkt, doch soll ich alle stinkenden Flüsse, nur noch schwer atmenden Meere, ins Grundwasser suppenden Gifte aufzählen? Alle die Luft beschwerenden Teilchen, die neuen Seuchen und auflebenden Altseuchen: Ipputsch und Chol! Soll ich den Zuwachs der Wüsten, den Schwund der Moore berechnen und von Müllbergen herab Ihr Räuber, Ausbeuter, Ihr Giftmischer rufen?!
Schon saß sie auf einem Müllberg und höhnte herab: Jämmerlich, eure Schlußbilanz! Überall Hunger, von dem ihr wortspielend sagtet, er sei nagend. Andauernde Kleinkriege, die eurer Meinung nach den ganz großen Krieg zu vermeiden hatten. Millionen Arbeitslose, die ihr von Arbeit befreit nanntet. Und andere Schönreden. Eure teuren Kongresse: zehntausend Spesenritter mit nichts im Koffer auf Reisen. Nur noch in Schulden sich mehrendes Geld. Aufgüsse

Weitere Kostenlose Bücher