Die Räuberbraut
wird sie dazu bringen, auf neue Namen umzusteigen, die Trägheit, die Toxizität und die moschusartige Schwere abzulegen, die vor ein paar Jahren so angesagt waren. Sie hat eine Nase für so etwas.
»Was meinen Sie, Boyce?« sagt sie, als die vier sich aus dem Zimmer gebuckelt und geknickst haben und Boyce gesagt hat, daß er sie morgen anrufen wird. Schließ ein Geschäft nie am selben Tag ab, lautet Roz’ Motto. Man mußte den anderen Zeit lassen, ihre Düsen abzukühlen, es drückt den Preis. »Sollen wir ’s auf den Versuch ankommen lassen?«
»Mein Aug, mein glitzernd Aug, ist froh«, sagt Boyce. »Yeats.«
»Meins auch«, sagt Roz. »Die Aktienmehrheit, wie üblich?« Roz hat sich ein paarmal die Finger verbrannt, seitdem kauft sie nichts mehr, was sie nicht kontrollieren kann.
»Ich muß sagen, Mrs. Andrews«, sagt Boyce bewundernd, »daß Sie die Vorliebe eines Feinschmeckers für die Weichteile besitzen.«
»Verflixt, Boyce«, sagt Roz. »Hören Sie auf, mich so blutrünstig hinzustellen. Es ist einfach nur solides Geschäftsgebaren.«
Roz geht in ihr Büro und blättert die rosa Zettel mit den eingegangenen Anrufen durch, mischt sie wie Spielkarten: die hier kann Boyce beantworten, die hier Suzy, die hier sind für sie selbst. Sie versieht sie mit hingekritzelten Anmerkungen, Instruktionen, Kommentaren. Sie fühlt sich gut, auf Hochtouren, bereit für Innovation.
Eine kurze Pause; Zeit für eine schnelle Zigarette. Sie setzt sich in ihren teuren Ledersessel, hinter ihren teuren Schreibtisch, glatt, modern, handgefertigt, nicht mehr zufriedenstellend. Es ist Zeit für einen Schreibtischwechsel; sie hätte gern etwas Antikes, mit all diesen niedlichen Geheimschubladen. Auf dem Schreibtisch sehen die Zwillinge, neun Jahre alt, sie aus einem Foto an, in rosa Partykleidern, damit beschäftigt, eine längst nicht mehr existierende Katze zu malträtieren. Und dann, später, in halbformellem Schwarz auf dem Vater-Tochter-Ball, den die Schule jahrein, jahraus veranstaltet, eine seltsame Tradition in Anbetracht der weitverbreiteten Knappheit an Vätern. Roz hatte Larry gezwungen hinzugehen, und Boyce überredet, den zweiten Mann zu spielen. Die Zwillinge sagten, er sei ein cooler Tänzer. Neben der silbergerahmten Vierergruppe steht Larry ganz allein, am Tag seiner High-School-Graduierung, im vorgeschriebenen Talar, so ernst. Eine ständige Sorge.
Neben ihm steht Mitch. Schuldgefühle senken sich herab, blähen sich sanft wie ein riesiger, grauer Fallschirm, springerlos, mit leeren Gurten. Der goldene Ehering wiegt schwer wie Blei an ihrer Hand. Sie sollte das Foto wegwerfen, auf dem er sie so unverschämt aus dem bronzenen Art Nouveau-Rahmen angrinst, aber auch mit dieser Unsicherheit in den Augen. Die immer da war, bloß daß sie sie nie gesehen hat. Nicht meine Schuld , sagt sie zu ihm. Zenia ist immer noch hier, in diesem Gebäude, in diesem Zimmer; winzige Fragmente ihrer verbrannten und zerbrochenen Seele haben sich in der alten Holzverkleidung eingenistet wie Termiten, nagen sie von innen an. Roz sollte das Zimmer ausräuchern lassen. Wie nennt man diese Leute noch mal? Exorzisten. Aber sie glaubt nicht an sie.
Einem plötzlichen Impuls folgend, wühlt sie in ihrer Schreibtischschublade herum, findet die giftige Akte und drückt den Summer, der Boyce von nebenan herbeiruft. Sie hat ihm nie etwas von dieser Sache erzählt, nie mit ihm darüber gesprochen, und er arbeitet erst seit zwei Jahren für sie; vielleicht kennt er die Geschichte nicht. Obwohl sie wahrscheinlich überall bekannt ist: das hier ist schließlich die Hauptstadt des Tratsches.
»Boyce, Ihre ehrliche Meinung. Was sagen Sie hierzu?«
Sie reicht ihm ein farbiges DIN-A4-Hochglanzfoto von Zenia, eine Studioaufnahme, dasselbe Foto, das sie für WiseWomanWorld genommen hatten, als Zenia Chefredakteurin wurde, und auch dasselbe Foto, das Roz der Privatdetektivin gab, als sie diese demütigende Schnüffel-Tour durchzog. Ein dunkles Kleid aus einem plüschigen Material, samtartig, selbstverständlich mit V-Ausschnitt – zeig was du hast, auch wenn es nur Schaumstoff ist; der lange, weiße Hals, die dunklen, elektrisierten Haare, die linke Augenbraue leicht hochgezogen, dieses empörende, geheimnisvolle Lächeln um die maulbeerfarbenen Lippen.
Mein persönliches Monster, denkt Roz. Ich dachte, ich hätte sie unter Kontrolle. Dann riß sie sich los.
Boyce nimmt an, oder tut zumindest so, daß Zenia jemand ist, den Roz als Model für
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