Die Räuberbraut
komm raus einen Begleiter organisieren zu müssen. Es gäbe natürlich Interessenten, aber was würden sie als Gegenleistung erwarten? Sie erinnert sich an die frustrierende Zeit nach Mitchs Auszug, als sie plötzlich Freiwild war und all diese Möchtegern-Ehemänner aus ihren Löchern gekrochen kamen, eine Hand auf ihrer Hüfte, ein Auge auf ihrem Kontoauszug. Eine Menge Drinks, die sie nicht hätte trinken sollen, eine Menge Verwicklungen, die überhaupt nicht gut für sie waren, und wie sollte sie die Kerle morgens aus ihrem ausgebleicht knochenfarbenen Schlafzimmer bekommen, ohne daß die Kinder sie sahen? Herzlichen Dank, denkt sie, aber nein danke.
»B’nai B’rith?« sagt Boyce. »Die Marien-Gesellschaft?«
»Nichts Religiöses, Boyce«, sagt Roz. »Sie kennen die Regeln.« Gott ist kompliziert genug, ohne daß er als Spendenbeschaffer benutzt wird.
Um elf haben sie eine Besprechung im Vorstandszimmer, mit einer neuen Firma, einem kleinen Laden, bei dem Roz überlegt, ob sie investieren soll. Boyce setzt sein offizielles Gesicht auf, ernst und langweilig und stinkkonservativ, Roz könnte ihn dafür knuddeln, und sie kann nur hoffen, daß seine eigene Mutter weiß, was sie an ihm hat. Sie erinnert sich an ihre erste Besprechung dieser Sorte: sie war mit der Vorstellung aufgewachsen, Geschäfte seien etwas Geheimnisvolles, etwas, was viel zu hoch für sie war, etwas, was ihr Vater in seinem Büro machte. Etwas, was nur Väter machten und Mädchen nie im Leben verstehen konnten, weil sie nicht genug Grips dafür hatten. Und dann war das Ganze nichts weiter als ein Haufen Männer, die in einem Zimmer saßen und die Stirn runzelten und nachdenklich taten und mit ihren goldenen Füllfederhaltern spielten und versuchten, sich gegenseitig auszutricksen. Sie hatte dagesessen und zugesehen und alle Mühe gehabt, ihren Mund daran zu hindern, vor lauter Erstaunen aufzuklappen. He, ist das etwa alles , was dahintersteckt? Heilige Minna, das kann ich auch! Und sie kann, sie kann es sogar besser. Besser als die meisten. Die meiste Zeit.
Kanadische Geschäftsleute sind derartige Tranfunzeln, im großen und ganzen; sie denken, wenn sie ihr Geld unters Kopfkissen legen, werden die Pennies sich mit den Zehncentstücken paaren und Vierteldollars gebären. Das ganze Schultergeklopfe, das sie wegen dieser Freihandelsgeschichte veranstalteten! Wir müssen aggressiv sein, sagten sie, und jetzt lamentieren sie und stecken den Daumen in den Mund und schreien nach Steuererleichterungen. Oder verlagern ihre Geschäfte auf die südliche Seite der Grenze. Aggressiv kanadisch, was für ein Widerspruch in sich, es ist zum Schreien! Roz selbst ist eine Spielerin. Keine leichtfertige Spielerin – eine informierte Spielerin, aber nichtsdestoweniger eine Spielerin. Ein bißchen Spaß muß schließlich sein.
Die Leute hier kommen von »Lookmakers«. Billige, aber hochwertige Kosmetik, und natürlich keine Tierfoltereien, versteht sich.
Sie haben mit Hausverkäufen angefangen, ähnlich wie Tupperware, haben dann mit einer speziellen Serie für Schauspielerinnen und Mannequins expandiert; und jetzt wachsen sie wie wild und suchen einen Einstieg in den Einzelhandel, eventuell auf Konzessionsbasis. Roz ist der Meinung, daß die Sache was hat. Sie hat ihre Hausaufgaben gemacht, oder vielmehr, Boyce hat sie gemacht, und in einer Rezession – lassen wir die Wortklaubereien, einer Depression – kaufen Frauen mehr Lippenstift. Ein kleines Bonbon für einen selbst, eine kleine Belohnung, nicht besonders teuer, aber es muntert einen auf. Roz kennt sich in diesen Dingen aus. Sie mag zwar reich sein, aber sie kann immer noch arm denken, das ist ein Vorteil. Außerdem gefällt ihr auch der Name, »Lookmakers«. Er hat etwas Herausforderndes, er impliziert Mühe, ein Vorwärtsstreben, ein Ärmelaufkrempeln. Ein Risiko auf sich nehmen.
»Lookmakers« besteht aus zwei Männern und zwei Frauen um die Dreißig, so unterwürfig, daß es einem das Herz brechen könnte, mit Unmengen von Diagrammen und Fotos und Mustern und Schaubildern. Die armen Lämmer haben sich für dieses Gespräch dumm und dämlich geschuftet, und deshalb läßt Roz sie ihre Show abziehen, obwohl sie sich längst entschieden hat, lehnt sich in ihrem Sessel zurück und macht sich im Geist Notizen für eine neue Serie von Produkten. Sie hat es satt, immer nur Geld über die Landkarte zu schieben, sie hat wieder Lust auf was Handfesteres. Und das hier könnte aufregend werden! Sie
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