Die Ranch
Ratschläge geben können. Obwohl er mehrere einschlägige Veröffentlichungen über die Aidsforschung und sämtliche Zeitungsartikel von Dr. Phillips besitze, wäre es eine unschätzbare Hilfe, wenn sie sich persönlich ein Bild vom Zustand der Kranken machen würde. »Natürlich erst, wenn's Ihnen besser geht. Vielleicht in ein paar Tagen …« Er schaute sie hoffnungsvoll an.
Dazu sei sie gern bereit, versicherte sie, und sie fühle sich geehrt. »Wie werden Ihre Patienten betreut?«
»Im Großen und Ganzen sehr gut«, antwortete er, dankbar für ihr Interesse. »Wir haben wundervolle freiwillige Helfer und tüchtige Schwestern. Wann immer ich Zeit finde, besuche ich die Patienten, und ich erkläre den Angehörigen und Freunden, was sie tun können, um ihnen zu helfen. Zurzeit versuchen wir eine Gemeinschaftsküche zu organisieren, ähnlich wie das Project Open Hand in San Francisco, aber natürlich in kleinerem Rahmen. Glücklicherweise müssen wir uns um viel weniger Aidskranke kümmern. Aber neuerdings ziehen immer mehr Städter zu uns aufs Land – Leute aus dem Show-Business, Schriftsteller und Musiker, die in eine heile Welt fliehen wollen. Darunter werden sich auch einige HIV-Infizierte befinden, teilweise im letzen Stadium, und solche Menschen brauchen eine ständige, intensive Behandlung. Deshalb wäre mir Ihre Hilfe sehr wichtig, Dr. Phillips.«
Sie nickte und versprach, ihm ein paar Bücher zu schicken, denen sie nützliche Hinweise entnommen habe, außerdem neue, von Sam empfohlene Artikel. Dann diskutierten sie über alternative Therapien. Am Ende des Nachmittags stellten sie fest, dass sie seit zwei Stunden fachsimpelten. Inzwischen war Zoe müde geworden, und er schlug ihr vor, noch ein wenig zu schlafen, bevor sie zum Dinner gehen würde. An diesem Abend wollte sie unbedingt die Two-stepp-Lektion im großen Salon des Ranchhauses beobachten. »Ich komme bald zu Ihnen ins Hospital, Dr. Kroner, oder wir machen zusammen Hausbesuche. Je nachdem, was Sie bevorzugen. Geben Sie mir Bescheid.«
Jetzt waren sie nicht mehr Arzt und Patientin, eher Ärztin und Student. Sie dankte ihm noch einmal für seine Hilfe, und nachdem er das Haus verlassen hatte, legte sie sich wieder hin und schlief sofort ein. Wenig später kamen ihre Freundinnen zurück, die angenehme Stunden erlebt hatten.
Wie üblich war Tanya mit Gordon ausgeritten und Mary Stuart mit Hartley. Nun freute sich Tanya auf die Twostepp-Party, bei der sie ihren Liebsten wieder sehen würde. Die Fete gehörte zu den seltenen Abenden, an denen sich die Cowboys nicht nur unter die Gäste mischen durften, sondern sogar darum gebeten wurden.
Zoe erwachte gerade noch rechtzeitig, um sich anzuziehen und mit den Freundinnen zu schwatzen. Da es ihr sichtlich besser ging, herrschte trotz ihrer Krankheit eine verblüffend heitere Stimmung. Kichernd plauderten sie über ihre Romanzen, die sie an die alten Zeiten in Berkeley erinnerten.
»Als wären wir wieder junge Mädchen«, meinte Tanya. »Liegt's am Trinkwasser in diesen Bergen? Vielleicht übt das eine magische Wirkung aus.« So beglückende Gespräche wie mit Gordon hatte sie schon lange nicht mehr geführt.
Mary Stuart und Hartley erweckten den Eindruck, als wären sie schon seit einer halben Ewigkeit zusammen, denn in fast allen Belangen vertraten sie dieselben oder zumindest miteinander vereinbare Ansichten. »Einen solchen Mann kannte ich noch nie«, erklärte sie. Nicht einmal vor Todds Tod hatte sie sich mit Bill so gut verstanden. Nun dachte sie an die zahlreichen Meinungsverschiedenheiten und Konflikte. Sie hatte damals geglaubt, diese Reibereien würden einer Ehe die richtige Würze verleihen und ein neues Licht auf diverse Situationen werfen. Doch mit Hartley genoss sie eine vollendete Harmonie und erkannte, wie wundervoll es war, mit einem Menschen auf gleicher Wellenlänge zu liegen. Beinahe kam sie sich vor wie Ginger Rogers, die mit Fred Astaire tanzte. Mary Stuart und Bill befanden sich nicht einmal mehr auf demselben Parkett.
In roten Jeans und einem passenden Pullover, die Lippen in der gleichen Farbe bemalt und das dunkle Haar hoch gesteckt, eilte Mary Stuart gerade zur Haustür, als das Telefon läutete. Die anderen waren schon vorausgegangen, und sie hatte noch ihre neuen roten Cowboystiefel gesucht. Sie wollte den Hörer eigentlich nicht mehr abnehmen, doch das wäre den Freundinnen gegenüber unfair gewesen. Womöglich rief einer von Zoes Patienten an oder das Au-Pair-Mädchen,
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