Die Ranch
stehe ich am Anfang eines neuen Lebens, Gordon.« Sie waren zu einem Grat hinaufgestiegen, schauten ins Tal hinab, beobachteten Büffel und Elche, Rinder und Pferde. Nur zu gut verstand Tanya, warum er dieses Land liebte.
»Ganz sicher«, erwiderte er, zog sie an sich und küsste sie.
17
Am Freitagmorgen schlich Tanya auf Zehenspitzen in Zoes Zimmer und musterte ihre friedlich schlafende Freundin. Zoe hatte letzten Abend erstaunlich viel gegessen, und inzwischen war etwas Farbe in ihre Wangen zurückgekehrt. Das fand auch Mary Stuart, die sich ebenfalls über das Bett neigte.
Als die beiden Frauen den Bungalow gerade verlassen wollten, betrat Zoe im Nachthemd das Wohnzimmer.
»Wie fühlst du dich?«, fragte Mary Stuart fürsorglich.
»Wie ein neuer Mensch.« Mittlerweile bereute Zoe, dass sie den Freundinnen von ihrer Aidskrankheit erzählt hatte. Doch das ließ sich nicht mehr ungeschehen machen, und sie war dankbar für die Anteilnahme. »Gestern habe ich euch viel Ärger gemacht. Tut mir Leid.«
»Sei nicht albern!«, schimpfte Tanya. Sie schauten sich an, und jede wusste, was die andere dachte. Seit so vielen Jahren waren sie einander in liebevoller Freundschaft verbunden, und daran würde sich nichts ändern. »Pass gut auf dich auf und bleib im Bett. Zu Mittag sehen wir wieder nach dir.« Tanya legte einen Arm um Zoes Schultern und spürte den dünnen, zerbrechlichen Körper unter dem Flanellnachthemd.
»Sollen wir bei dir bleiben, Zoe?«, fragte Mary Stuart.
»Unsinn! Verschwindet und amüsiert euch. Das habt ihr beide verdient.« Sie alle waren vom Schicksal getroffen worden – von Tod, Scheidung, mit schwerer Krankheit, jenen Traumata, die zum Leben gehörten und zum Überlebenskampf herausforderten.
»Aber du hättest es auch verdient«, entgegnete Mary Stuart.
»Ich will einfach nur arbeiten.« Schon nach wenigen Urlaubstagen fühlte Zoe sich schuldig, weil sie so faul war. Eine zweite Woche würde ihr geradezu sündhaft erscheinen, aber sie wusste, dass sie sich von ihrem Schwächeanfall erholen musste.
»Sei ein braves Mädchen und ruh dich aus.« Mahnend hob Tanya den Finger. Ein paar Minuten später ging sie mit Mary Stuart zum Ranchhaus.
Hartley erkundigte sich nach dem Befinden ihrer Freundin. Beim Frühstück redeten sie über Zoes schweres Los, das sie so tapfer ertrug. Natürlich verschwiegen die beiden Frauen weiterhin, dass sie an Aids litt, und er glaubte nach wie vor, sie wäre an Krebs erkrankt.
Als Mary Stuart von Sams Heiratsantrag erzählte, meinte Hartley bewundernd: »Das muss ein großartiger Mann sein. Hoffentlich wird sie wieder gesund.« Aber daran schien er zu zweifeln. »Ich kannte ein Paar, das geheiratet hat, obwohl die Frau unheilbar krank war. Doch die Liebe des Mannes konnte ihr Leben um mehrere Jahre verlängern, und sie wurden unvorstellbar glücklich. Nach ihrem Tod wollte er nicht mehr heiraten, und er schrieb ein Buch über seine Erfahrungen, das mich tief bewegt hat.«
Gerührt hörten Mary Stuart und Tanya zu und wünschten, ihrer armen Freundin wäre ein ähnliches gnädiges Schicksal beschieden.
Am Nachmittag rief Sam erneut an, sprach sehr lange mit Zoe und drängte sie zur Heirat. Sie zögerte immer noch.
»Warum machst du mir einen Antrag, obwohl du mich kaum kennst?«
»Ich kenne dich seit über zweiundzwanzig Jahren, und seit fünf Jahren arbeite ich für dich. Nun bedaure ich, dass ich nicht schon längst gemerkt habe, wie sehr ich dich liebe. Und du warst leider immer zu beschäftigt, um mitzukriegen, was direkt neben dir passiert. Bitte, Zoe, ich will für dich da sein – immer.«
»Du bist für mich da …«
»Nein, ich meine – Tag und Nacht. Übrigens, wir hatten noch gar kein Rendezvous.«
»Das weiß ich. Und du hast kein einziges Mal meine Lasagne probiert.« So viel gab es zu entdecken, so vieles, was sie voneinander herausfinden mussten.
»Ich bin ein fantastischer Koch. Was isst du besonders gern?« All diese Dinge wollte er wissen und die geliebte Frau verwöhnen. Vielleicht würde er sogar Geschichten schreiben, ein wirksames Medikament entwickeln und ihr zur Genesung verhelfen. Wenn nicht, würde er ihr bis zum bitteren Ende beistehen. Darin sah er seine Bestimmung, und welche Gegenargumente sie auch immer anführen mochte, sie konnte ihn nicht von seinem Entschluss abbringen.
»Was ich am liebsten esse?« Diese Frage amüsierte Zoe, und beinahe vergaß sie ihre Krankheit. An diesem Tag fühlte sie sich wesentlich besser,
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