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Die Rastlosen (German Edition)

Die Rastlosen (German Edition)

Titel: Die Rastlosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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Teufel mit diesen jungen, aber fremden und nichtssagenden Körpern, vom heutigen Tag an. Er strebte nach höheren Zielen, der Vollendung. Und es gab kein Zurück.
    Trotz alledem rief Annie Eggbaum an. Ihre Äußerungen blieben sehr unklar, denn sie schien betrunken zu sein und sich an einem lärmerfüllten Ort aufzuhalten, aber es wurde deutlich, dass sie wütend auf ihn war, sehr wütend, und sie fragte ihn ziemlich laut, für wen er sich eigentlich hielt.
    Anfangs versuchte er sich zu entschuldigen, schließlich ließ er sie abblitzen, denn sie wollte nichts hören.
    *
     
    Zwei Tage später bestellte ihn Richard zu sich und erklärte ihm, dass er die rote Linie überschritten habe.
    »Genau das hätten Sie nicht machen dürfen, und Sie haben es gemacht«, meinte er mit gespielter Bewunderung. »Da ziehe ich meinen Hut, wissen Sie. Ich gratuliere.«
    »Ich habe sie nicht angerührt.«
    Richard wimmerte, als hätte er sich den Finger in einer Tür eingeklemmt. »Zum Glück. Oh, verdammt noch mal, was für ein Glück. Wissen Sie, wer der Vater von Annie Eggbaum ist? Na, Freundchen? Wissen Sie, wer Tony Soprano ist?« Abgesehen davon konnte man die großzügigen Sponsoren an den Fingern einer Hand abzählen. »Aber hatte ich es Ihnen nicht vorher gesagt, Sportsfreund? Hatte ich Sie nicht gewarnt? Wir wollen keinen Ärger hier. Sie kennen die Lage. Unsere Budgets schrumpfen jeden Tag ein bisschen mehr. Wir erleben eine Krise von historischem Ausmaß. Hören Sie, ich muss Ihnen eine schmerzhafte Ankündigung machen, mein Lieber, diesmal lassen Sie mir keine Wahl.«
    Marianne rettete seinen Kopf. Er wusste nicht, wie weit sie gegangen war, denn sie bewahrte Stillschweigen und wich mehrere Tage lang seinem Blick aus, weigerte sich, mit ihm zu essen oder mitzufahren, ohne dass sie dafür weitere Erklärungen geliefert hätte. Richard Olso wirkte hingegen sehr zufrieden.
    »Aber halten Sie sich zurück, okay? Das ist die letzte Warnung. Dass das klar ist. Letzte Warnung, okay?«
    Niemand wollte in diesen schwierigen Zeiten auf der Straße landen. Dafür war es noch nicht warm genug. Wer nicht ein sehr dickes Fell hatte, sollte es sich lieber zweimal überlegen, bevor er den Maulhelden spielte. Er nickte. Er hatte nichts getan, aber er kannte das Kräfteverhältnis – und Richard ebenso. Er ließ den Kopf hängen und ging schweigend hinaus.
    Aber das war noch nicht alles. Kaum hatte er seinen Kopf aus der Schlinge gezogen, wurde er am Abend auf dem Parkplatz überfallen, nachdem er das Büro von Martinelli verlassen hatte und völlig in Gedanken versunken über die Dürftigkeit und Irrelevanz der Vorwürfe gegen ihn brütete. Die ganze Sache war zutiefst empörend. Wo konnte man sich seinen Stolz hinstecken, wenn die Arbeitslosenquote ungeahnte Höhen erreichte, mal ganz ehrlich, fragte er sich, als ihn ein heftiger Schlag auf den Kopf zu Boden warf.
    Es gab keine Botschaft. Die beiden Kerle, die ihn verprügelt und niedergeschlagen hatten, waren stumm geblieben wie Fische. Aber man brauchte sich nicht lange den Kopf zu zerbrechen, um zu wissen, wem diese Bescherung zu verdanken war. Als er sich wieder auf den Beinen halten und sein Taschentuch herausziehen konnte, um das aus seiner Nase schießende Blut abzutupfen, schleppte er sich bis zu einer Apotheke, ließ sich auf einen Stuhl fallen und legte sein Schicksal in die Hände eines jungen Homosexuellen mit weißem Kittel, der ihn missbilligend musterte. Er hatte eine zerkratzte Wange, Lippen so dick wie Wiener Würstchen, blaugeschlagene Hände, weil er versucht hatte, seine Weichteile zu schützen, die Haare waren zerzaust, sein Atem ging stoßweise – all das sah eher nach einer gewöhnlichen Rauferei aus.
    Als er sich besser fühlte, bedankte er sich bei dem jungen Apotheker und ging wieder zurück zum Parkplatz, wobei er sich einen Beutel mit Kunsteis auf die Stelle seines Gesichts presste, die gerade am stärksten brannte – danach war die andere Seite dran.
    Die Eggbaums schienen wahrhaftig verrückt zu sein. Der Vater genauso wie die Tochter. Er betrachtete sich im Rückspiegel und verzog das Gesicht, seine Rippen schmerzten. Aber es war nicht die erste Abreibung, die er kassierte, und er musste ein Lächeln unterdrücken, als er feststellte, dass er noch alle Zähne hatte – und insbesondere die drei sündhaft teuren Implantate, die ihm Marianne zu seinem fünfzigsten Geburtstag geschenkt hatte. Letztlich war er noch ganz gut davongekommen. Denn offenbar

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