Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Rastlosen (German Edition)

Die Rastlosen (German Edition)

Titel: Die Rastlosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
Vom Netzwerk:
und gelobte, sich darum zu kümmern. Er fand einige tiefgefrorene Croissants. Er sah auf die Uhr. Er hatte genügend Zeit, eine Bestellung aufzugeben. Er musste Steaks kaufen, Entrecotes, ganze Roastbeefs, alle möglichen Sorten Fleisch – außer vom Pferd –, wenn er wollte, dass sie sich erholte und wieder Farbe bekam.
    Er sah eine Weile zu, wie die Eier brieten, dann hob er den Kopf und blickte wieder auf den Garten, der im Sonnenlicht erzitterte. Er hatte ein gutes Stück Weg zurückgelegt, das war so ziemlich alles, was er dazu sagen konnte. Nach dem Appetit zu schließen, den er bei seiner Rückkehr empfand. Nach dem Duft des Waldes zu schließen, der ihm anhaftete, dem Duft nach feuchter Erde und vermodertem Laub. Nach Steinen, Saft und Harz. Das war alles, was er dazu sagen konnte.
    Als sich auf einmal, während die Eier in der Pfanne brutzelten, auf der anderen Seite der Scheibe Myriam vor ihm erhob, wie ein Teufel, der aus seiner Schachtel sprang.
    Nach einer Schrecksekunde drehte er das Gas ab und bedeutete ihr, dass er hinauskäme. Ein leichtes Kribbeln durchlief seinen Körper, sein Mund trocknete aus – wie Ende der sechziger Jahre, als er einen Trip genommen hatte –, während er zu ihr nach draußen hastete. Keine Studentin hatte eine solche Wirkung auf ihn. Bei ihr wusste er nicht, auf was für ein Terrain er sich begab. War es fester Boden? War es überhaupt bewohnt? Woher sollte man das wissen? Auf welche Kriterien konnte man sich berufen? Über welche Vergleichsmerkmale verfügte er? Seine Schwester und er hatten nicht viel Erfahrung mit der Welt, die sie umgab, das gestand er gerne ein.
    Sie stand bei ihrem Wagen. Er bemerkte, dass er ein tiefgefrorenes Croissant in der Hand hatte, aber es war zu spät, um es unauffällig wegzuwerfen, also verzichtete er darauf und spürte, wie seine Finger gefühllos wurden, während sie entschlossen auf ihn zuging.
    Worte drängten aus seinem Mund, als er sie näher kommen sah, sie überstürzten sich sogar, als sie nur noch einige Meter von ihm entfernt war, aber bald stand er an die Mauer gedrückt, Myriams Lippen auf die seinen gepresst, ihre Zungen zwischen ihren Mündern hin und her wandernd, ihre Körper eng aneinandergeschmiegt, noch bevor er auch nur ein Sterbenswörtchen hätte sagen können. Und in der Ferne heulte immer noch dieser Hund – die Zahl der streunenden Hunde war so schnell gestiegen wie der Preis für Trockenfutter und die Verluste auf dem Immobilienmarkt.
    Spektakulär. Es gab kein geeigneteres Wort dafür. Absolut spektakulär, dieser Kuss, den sie ihm auf der Türschwelle verpasste, ohne dass sie auch nur ein Wort gesagt hätte. Es war eine wahrhaftige Verzauberung. Er zog sie an sich und schloss die Augen, nachdem er das Croissant ins Unterholz geworfen hatte.
    Als er sie wieder öffnete, war er total benommen, total verzückt, sein Atem ging schnell, und während er noch mit leeren Händen fest an die Mauer gelehnt dastand, stieg sie ohne weitere Erklärungen in ihr Auto, ließ den Motor an und verschwand so schnell wieder, wie sie gekommen war.
    Nachdem die morgendlichen Nebelschwaden das Motorengeräusch gänzlich verschluckt hatten, verharrte er einige Minuten bewegungslos und leicht schnaufend. Die Glyzinien am Eingang verströmten einen intensiven Duft. Er ging wieder hinein, um seine Eier zu essen, aber das war nun nicht mehr so dringend. Wenn sie so weitermachte, würde sie ihn noch in den Wahnsinn treiben, dachte er und lächelte sich zerstreut im Garderobenspiegel zu.
    Er hätte sich diesmal gern Marianne anvertraut. Nie zuvor hatte er dieses Bedürfnis verspürt. Er hätte sie gern nach ihrer Interpretation dieses seltsamen und leidenschaftlichen Kusses gefragt, welchen Sinn sie in ihm sah, wie sie darüber dachte, was für Erklärungen sie nahelegte, und dieses und jenes, sogar ihre Ratschläge wären ihm willkommen gewesen, aber das war leider unmöglich, darauf musste er verzichten. Seine Schwester war noch nicht so weit.
    »Was ist denn hier los?«, fragte sie. »Ich habe Geräusche gehört.«
    Sie war ganz zerzaust, gerade erst aufgewacht. Er rührte die Eier um, die er in der Pfanne weiterbriet, für die er sich aber nicht mehr interessierte. »Das hast du geträumt«, antwortete er. »Wahrscheinlich das Radio. Setz dich hin. Ich hab dir Eier gemacht. Das hast du wirklich geträumt.«
    Sie lachte hämisch, konnte ihre Behauptung aber nicht beweisen. »Und wie kommt es, dass du schon auf bist?«, murmelte sie

Weitere Kostenlose Bücher