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Die Rastlosen (German Edition)

Die Rastlosen (German Edition)

Titel: Die Rastlosen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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bloß nicht ein, dass du in einem zivilisierten Land lebst. Die meisten Leute leben noch im Mittelalter.«
    »Und ich opfere mich auch noch auf für dich. Damit du nicht vor die Tür gesetzt wirst. Ich opfere mich auf, und das ist der Dank. Na ja, weißt du, das wird mir eine Lehre sein.«
    Sie gehörte zu den letzten Frauen auf der Welt, die noch Gitanes rauchten. Und wenn sie einem den Rauch ins Gesicht blies, verschwand die Umgebung in einem furchtbaren Nebel. »Gute Nacht«, sagte sie und rauschte davon.
    Wenigstens, dachte er, redete sie wieder mit ihm.
    Rückblickend musste er zugeben, dass er ihr viel zugemutet hatte. Er war unausstehlich gewesen, solange er noch keine Frau angerührt und sich noch nicht eingestanden hatte, dass er nur einen lausigen Schriftsteller abgeben würde. Später, nachdem er das eine ausprobiert und das andere akzeptiert hatte, war er bedeutend ruhiger und umgänglicher geworden, er gab sich nicht mehr so grob, düster und fordernd, aber es war ein bisschen spät, um das Lächeln auf Mariannes Gesicht zurückzuzaubern, sofern sich dort überhaupt jemals eines abgezeichnet hatte.
    Dennoch wollte er sie beschützen. Soweit das möglich war. Ihr beistehen. Das war er ihr schuldig. Als er an ihrem Zimmer vorbeiging, klopfte er leise an ihre Tür, um ihr eine gute Nacht zu wünschen. Er hörte sie weinen. Er konnte es nicht ausstehen, sie weinen zu hören. Er konnte es nicht ertragen. Also machte er kehrt, zog seinen Mantel an und verließ das Haus. Draußen funkelte der Mond buchstäblich am Himmel, wie ein Diamant in seiner Schatulle. Es war kühl. Er zündete sich eine Zigarette an und ging durch den Garten bis zur Straße, die eben von einem leichten Nebelschleier überzogen wurde, der sich dicht über dem Boden ausbreitete.
    Er überquerte sie und tauchte in den Wald ein.
    Am Morgen wachte er im Fiat auf, total gerädert und durchfroren. Der kondensierte Dampf auf der Windschutzscheibe bildete ein Delta kleiner, silberner Flüsse, das er eine Weile fixierte, bevor er sich in Bewegung setzte. Der Tag brach gerade erst an.
    Wie war er hier gelandet? Er hatte keinen Schimmer. Was hatte er die ganze Nacht über getrieben? Er bemerkte den Schlamm, der seine Schuhe bedeckte, auf seinen Hosenbeinen und seinem Mantel trocknete. Seine Hände waren schmutzig. Seine Beine erschöpft – allerdings wohlig erschöpft. Der Marsch schien lang und sportlich gewesen zu sein.
    Schwer zu sagen, was ihm manchmal durch den Kopf ging. Er selbst hatte nicht die geringste Ahnung, um ehrlich zu sein – er wusste lediglich, dass er jetzt einen Riesenhunger hatte.
    Er machte die Wagentür auf, streckte erst ein Bein, dann das andere und dann einen Arm in den goldenen Lichtstrahl, der in den Garten fiel, und sagte sich, dass ein halbes Dutzend Eier genau das Richtige für ihn wäre. Als er ausgestiegen war, streckte er sich mit Blick auf den azurblauen Himmel, gähnte lange und herzhaft. Ein heller Morgen zog herauf, der bald schon die Schatten aus ihren hintersten Winkeln vertreiben würde. Auf den elektrischen Leitungen saßen Spatzen und warteten auf den Sonnenstrahl, der ihre Federn wieder aufplusterte und sie vom eisigen Kuss der Nacht erlöste.
    Im Haus war es noch still. Er hängte seine Mütze und seinen Mantel in die Diele, dann stürzte er zum Kühlschrank. Wenn Marianne sich einigermaßen gut fühlte, ging sie auf 20   %, was noch halbwegs genießbar war, aber 0   % war wirklich ekelhaft, unsäglich traurig, schrecklich fad. Wie auch immer, er öffnete einen Becher mit Vanillearoma und verschlang ihn, bevor er sich über irgendetwas anderes hermachte.
    Unternehmungen wie diese mehr oder minder blindwütigen Gewaltmärsche bewirkten, dass er den ganzen Tag über großen Appetit verspürte. Marianne glaubte, er sei etwas schlafwandlerisch veranlagt, und obwohl sie es nicht besonders schätzte, dass er ganze Nächte lang irgendwo draußen herumstreifte, wollte sie dieser Sache nicht mehr Bedeutung beimessen, als sie ihrer Ansicht nach verdiente – sie hatte ihn allenfalls zu einigen Akupunktursitzungen verdammt, um ihr Gewissen zu beruhigen, ein paar Hypnosesitzungen hatte es auch gegeben, aber es war nichts Überzeugendes dabei gewesen, nichts wirklich Greifbares herausgekommen.
    Eier waren auch da. Ein Hund bellte in der Ferne, während über dem Wald die Sonne aufstieg. Es gab natürlich weder Speck noch Schinken – Marianne kaufte seit bald einem Monat fast nichts mehr ein. Er senkte den Kopf

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