Die Ratte des Warlords (German Edition)
geworden, auch wenn sie ihre richtige Mutter nicht völlig ersetzen konnte. Oma und Jens waren die Stützen in Keplers Leben.
Sarah war Jens’ Stütze, er brauchte sie wie die Luft zum Atmen, nur sie konnte ihn zum Lachen bringen. S arah hatte es selbst nicht leicht gehabt, ihre Eltern lebten in Scheidung, waren mit ihr überfordert und hatten sich nicht um sie gekümmert. Sarah gab sich die Schuld daran und mied ihre Familie, der sie egal war. Für Kepler war sie neben Oma und seinem Bruder der dritte Mensch in seinem Leben, danach hörte die Liste auf.
Kepler war acht, als Jens Sarah zum ersten Mal nach Hause mitbrachte, sie wollte sich Oma vorstellen. Kepler hatte in der Küche am Tisch gesessen und verzweifelt versucht, gegen die Tränen anzukämpfen. Sein Vater fehlte ihm schrecklich, aber er war ein Mann und bei dem Gedanken an Vater konnte er sich noch zwingen, nicht zu weinen. Bei dem Gedanken an Mutter, vor allem an ihr Lächeln, liefen ihm die Tränen und er konnte nichts dagegen machen.
Und dann war Sarah, mit Zöpfchen und einem scheuen Lächeln, in sein Leben gekommen. Sie sah ihn schmerzlich ins Schälchen mit Müsli blinzeln, und dann, ohne Oma zu beachten, war sie zu ihm g egangen.
"Kleiner", hatte sie mit unendlichem Mitgefühl geflüstert und ihm über den Kopf gestreichelt.
Er hatte zu ihr hochgeblickt, dann hatte er sich nicht mehr halten können, er klammerte sich an dieses fremde Mädchen und seine Tränen rannen hemmungslos. Sarah drückte ihn an sich und umarmte ihn zärtlich und beschützend.
Oma hatte am Herd gestanden und sie angesehen. Was auch immer sie in S arahs Gesicht gesehen hatte, seit diesem Augenblick war sie wie eine Tochter für sie, und Omas Haus wurde auch Sarahs Zuhause. Sie hatte sich um Kepler gekümmert und ihn getröstet, wenn er um seine Mutter geweint hatte, ihm Gutenachtgeschichten vorgelesen, wie sein Vater es getan hatte, sie konnte ihn besänftigen, wenn er aufgebracht war. Sie war wie eine große Schwester für ihn gewesen, sie war es noch und sie würde es immer bleiben.
Jens hatte seinen Schmerz über den Verlust der Eltern bewältig, indem er sich in Bücher vergrub. Dann war es Sarahs Liebe, die ihm Halt gab.
Kepler hatte in den Büchern keinen Trost gefunden, und er wollte weder lieben, noch wollte er geliebt werden. Als kleiner Junge war er offen, fröhlich und herzlich gewesen. Der Tod der Eltern hatte ihm den Boden unter den Füßen weggezogen, er fühlte sich seitdem leer und wertlos. Er wurde introvertiert, isolierte sich von allen und jedem und wurde aggressiv. Sein Umgang mit dem Schmerz bestand darin, sich geradezu leidenschaftlich zu prügeln. Die Wut auf sich selbst und auf die Welt, die in ihm kochte, brach heraus, kaum dass ihn jemand schief ansah. Aus dem Kindergarten kam er nur noch zerkratzt und mit blauen Flecken, in der Schule war es später nicht anders. In allen anderen Angelegenheiten gehorchte er bedingungslos schon den Blicken von Oma, Jens und Sarah, aber was das Prügeln anging, folgte er den Bitten seiner Familie nicht.
Das gipfelte in einem Vorfall kurz nach Keplers neuntem Geburtstag, als er sah , wie zwei Jungen Sarah drangsalierten. Die beiden hatten nichts zu tun und die Freundin von Streber Jens war ein hilfloses Opfer. Jens musste nach der Schule einkaufen und hatte Sarah losgeschickt, damit sie seinem Bruder etwas zu essen machte. Kepler hatte sich nur kurz gewundert, dass sein Bruder nicht bei ihr war, und ging knurrend auf die beiden Jungen los. In blinder Wut schlug er nach den größeren Jungen, bis sie von Sarah abließen, ihn auf den Boden warfen und auf ihn eintraten. Sarah brüllte die beiden an, während sie sie kratze. Die Jungen flohen, zumal sich schon einige Passanten näherten. Auf ihre Fragen antwortete Sarah bissig, nichts sei gewesen, sie sammelte Kepler ein und brachte ihn nach Hause. Er hatte gerade solange stillgehalten, bis sie seine Abschürfungen versorgt hatte. Danach ging er in den Abstellraum, trat den Stiel eines Besens kaputt und zog mit dem Stück Holz los. Er fand die beiden Jungen auf einem Spielplatz und griff sie ohne Vorwarnung an. Er hatte sie von hinten überfallen und seinen Vorteil voll ausgenutzt. Der abgebrochene Besenstiel war die Manifestation seiner Wut und innerhalb von wenigen Augenblicken lagen die beiden Jungen blutend auf dem Boden. Kepler trat sie krankenhausreif, warnte sie davor, je wieder ein Mädchen zu schlagen, und ging davon. Als Oma von der Arbeit kam, wartete
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