Die Ratte des Warlords (German Edition)
ickelt hatte, weswegen er all seine Mühen daran setzte, ein guter Soldat zu werden. Er lernte systematisch und sehr zielstrebig, es zu sein. Daneben stillte er seinen Hunger nach fundiertem Wissen und nahm jede Möglichkeit zur Weiterbildung wahr, die die Armee bot. Ein Lehrer hatte dabei seine Sprachbegabung erkannt und gefördert. Kepler hatte Mandarin zwar schnell gelernt, dem aber keine Bedeutung beigemessen, sondern es der Kunst seines Lehrers zugeschrieben. Aber dann hatte er innerhalb eines halben Jahres Schwedisch gelernt, um einer Blondine zu imponieren. In den nächsten drei Jahren eignete er sich im Selbststudium fünf weitere Sprachen an. Er konnte sie nicht perfekt, die Schrift kaum, aber das Wort ausreichend, um sehr gut zurechtzukommen und um Frauen damit zu beeindrucken. Französisch eignete sich besonders gut dafür, obwohl gerade diese Sprache Kepler ansonsten völlig kalt ließ. Viel mehr als Französisch machten ihm Naturwissenschaften Spaß, dabei insbesondere Astronomie und Geschichte. Kepler hatte viel Freude am Lernen. Einmal, nach einem Mitflug in einer F-4 Phantom II , hatte er sich verwünscht, in der Schule so schlecht gelernt zu haben, Kampfpilot zu sein schien ihm reizvoller als jede andere Aufgabe in der Armee. Aber Pilot konnte er nicht mehr werden. Dafür bedrängte er seinen Vorgesetzten solange, bis er an den beiden Einzelkämpferlehrgängen der Bundeswehr und an der Fallschirmgrundausbildung teilnehmen durfte. Er vertiefte sein Wissen und wurde immer besser als Soldat, Kampfsportler und Präzisionsschütze. Innerhalb der Geschwadersicherungsstaffeln der Luftwaffe galt er bald als der beste Scharfschütze. Insgesamt war er fast völlig zufrieden mit seinem Leben.
Das fast erklärte sich daraus, dass die Luftwaffe einem Scharfschützen nur wenige Möglichkeiten bot, sein Können auszuüben, geschweige denn zu perfektionieren. Und Keplers Waffe, ein Standard-G3-Sturmgewehr, zwar in der Version SG1 mit Zielfernrohr und Zweibein, war kein Scharfschützengewehr im eigentlichen Sinne. Die Manöver, an denen seine Kompanie teilnahm, waren Luftwaffenmanöver, das Fliegen stand an erster Stelle.
Ke pler wollte sich schon zu den Fernspähern versetzten lassen, als er von der Einrichtung des Kommandos der Spezialkräfte hörte. Er bewarb sich umgehend als einer der ersten außerhalb der Luftlandebrigaden beim KSK und bewältigte auf Anhieb sämtliche Tests. Weil er schon Feldwebel war und erweiterte Kenntnisse und Fähigkeiten hatte, wurde seine Ausbildung drastisch verkürzt, schon nach einem Jahr bekam er das Sonderabzeichen eines Kommandosoldaten und kam zur zweiten Kommandokompanie. Er wurde dem sechsten Zug zugeteilt, der auf Aufklärung und Scharfschützentätigkeit hin ausgerichtet war.
Jetzt konnte Kepler seine Berufung endlich leben. Als Scharfschütze war er ein Ausnahmetalent, und er perfektionierte seine Kunst stetig weiter, genauso wie seine Sprachbegabung und die anderen Interessen. Siebenundneunzig wurde er sogar als Tester für das neue Scharfschützengewehr der Bundeswehr ausgewählt, als einer der Soldaten, die die neue Waffe im Feld erprobten. Kepler hatte sich eine deutsche Waffe gewünscht, aber die englische Firma Accuracy International gewann die Ausschreibung. Das AWM-F war jedoch gut und das KSK war der erste Verband der Bundeswehr, der es bekam. Die erste Kommandokompanie zog damit sogleich zur Unterstützung der SFOR-Truppen nach Kosovo. Als auch Kepler schließlich in den Einsatz ging, nahm er schon die modifizierte deutsche Version des Gewehres mit der Bezeichnung G22 mit.
An der Pistole war Kepler genauso virtuos wie am Gewehr. Das KSK hatte Zugang zu den meisten Waffen auf der Welt, zumi ndest unterhalb von Panzern, Kampfjets und Flugzeugträgern. Kepler begeisterte sich für die Glock, obwohl ihn gehörig störte, dass es keine deutsche Waffe war. Aber er kaufte privat eine G17 und benutzte sie statt der Standard-P8C des KSK. Seine Kameraden lachten ihn deswegen aus. Er, der mit dem meisten Nationalgefühl, liebte geradezu sein englisches Gewehr und seine österreichische Pistole. Kepler verprügelte jeden seiner Kameraden bei den Kampfsportübungen, aber der Spott wurde nicht weniger. Es wurde die Pflichtbeschäftigung der Kompanie, ihn damit aufzuziehen und sich von ihm dafür anschließend vermöbeln zu lassen. Er schimpfte dabei in einer der Fremdsprachen vor sich hin, um Übung darin zu haben. Seine Gegner kugelten sich vor Lachen, während sie seine
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