Die Ratte des Warlords (German Edition)
nahm Kepler nun seinen Rucksack und den Sack mit den Orangen mit in den Minibus, der am Pier stand. Die Beamten b eäugten ihn argwöhnisch, als sie zur Dienststelle fuhren.
"Was ist da drin?", fragte einer.
"Apfelsinen", antwortete Kepler. "Vitamin C. Muss man in Afrika ständig zu sich nehmen, damit die Zähne vom faulen Wasser nicht kaputtgehen."
Er lächelte den Zöllner breit an, öffnete den Sack und hielt ihn dem Beamten hin. Der Mann warf einen flüchtigen Blick hinein und nickte.
"Ich hatte zuerst Tabletten", quasselte Kepler weiter, "aber die Dinger schm ecken einfach besser." Er langte in den Sack, nahm eine Frucht heraus und warf sie dem Beamten zu. Dann sah er die drei anderen an und gab jedem von ihnen auch je eine Orange. "Essen Sie", er grinste weiter, "die sind ganz süß." Er fing an, für sich selbst eine Orange zu schälen, weil die Beamten ihn immer noch unschlüssig ansahen, und biss dann in die Frucht. "Passen Sie auf", warnte er mit vollem Mund, "saftig sind die auch."
Einer der Beamten fing an, seine Orange zu essen.
"Stimmt, schmecken fantastisch", meinte er.
"Was ich sage", Kepler schmatzte leicht, "noch eine?"
Der Beamte schüttelte den Kopf, während er die Frucht teilte. Kepler zuckte die Schultern und fuhr mit seinen Ausführungen über die Nächte in den kenian ischen Nationalparks bei Löwengebrüll fort. In der Dienststelle verschenkte er weitere Orangen, während die Beamten seinen Pass kontrollierten.
"Was ist in der Tasche?", fragte einer.
Kepler hielt ihm den Rucksack hin.
"Könnte bisschen riechen", warnte er vor.
Der Mann zog das Kampfmesser heraus und sah ihn fragend an.
"Braucht man", sagte Kepler ernst und nickte dazu.
"Für...?"
"Alle s Mögliche", antwortete Kepler leichthin. "Es ist Afrika. Zur Not, um sich zu rasieren." Er grinste. "Was meinen Sie, wie das Touristinnen beeindruckt."
Der Polizist tat das Messer schmunzelnd zurück.
"Geld dabei?", fragte er.
"Paar tausend Dollar", antwortete Kepler, während er die nächste Orange schälte. "Ich bin süchtig danach", teilte er dem Beamten beiläufig mit. "Blöd nur, dass man in Europa keine solchen kriegt." Er biss in die Frucht. Der Saft lief an seinem Kinn herunter. "Oh", machte er. "Kann ich mal aufs Klo?"
"Den Gang runter, zweite Tür links."
"Passen Sie auf meine Orangen auf?", bat Kepler. "Sie können sich ruhig eine nehmen", fügte er hinzu. " Oder zwei."
"Danke ."
"Dafür nicht."
Kepler ging zur Toilette. Noch mehr als das Unbehagen wegen der Glock und der Bankpapiere beschäftigte ihn die Sorge, die Holländer könnten den Haftbefehl gegen ihn in ihrem Computer sehen. Jens hatte zwar gesagt, dass er nicht mehr wegen Mordes gesucht würde, sondern nur wegen Körperverletzung, deswegen hoffte Kepler, dass der ursprüngliche Haftbefehl nicht mehr im System war. Aber bei der Bürokratie konnte man sich niemals sicher sein. Kepler sammelte sich, atmete durch und spazierte, sich interessiert umblickend, zurück.
Der Rucksack war wieder zu, der Orange nsack stand daneben. Die Überprüfung des Passes dauerte lange, aber dann bekam Kepler das Dokument zurück, mit der Anweisung, sich zu Hause sofort bei den Behörden zu melden. Kepler versprach es, tat weiterhin fröhlich und behauptete, er würde die Beamten ganz nett finden. Darum verschenkte er noch einige Orangen, bevor er ging.
Das Theater vor den Zöllnern hatte ihm mehr abverlangt als der Krieg, und er war froh, beides hinter sich zu haben.
72. Die ersten Stunden in Europa waren gewöhnungsbedürftig, es waren fast nur weiße Menschen um ihn herum. Das andere war, dass er sich endlich frei fühlte. Kepler tauschte seine restlichen Dollar in Euro um, kaufte ein Bahnticket nach Köln und wartete in einem Café im Amsterdam Centraal auf seinen ICE.
Etwas mehr als fünf Stunden später stieg er kopfschüttelnd in Steinfurt aus. Im Vergleich zu Afrika war die Reise hier geradezu blitzschnell abg elaufen.
Und dann wünschte er sich, er wäre dort. Er trampelte diesen Gedanken rege lrecht in sich nieder, er hatte seine Chance vertan. Und den zehrenden Wunsch, das nächstbeste Internetcafé aufzusuchen und herauszufinden, wo Katrin jetzt lebte, ertickte er genauso im Keim. Diese Chance hatte er auch vertan.
Kepler suchte eine Filiale der Deutschen Bank auf, nachdem er in einem G eschäft für Herrenbekleidung einen Anzug und Schuhe erworben hatte. In der Bank verlangte er einen höheren Angestellten und ließ den Mann sein Konto in der Schweiz
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