Die Ratte des Warlords (German Edition)
Gefangenen, überzulaufen. Abudi versicherte ihnen, dass ihre Heimatdörfer bald auch zu seinem Einflussgebiet gehören würden. Bis sie ihre Loyalität ihm gegenüber bewiesen hatten, würden die Männer unter Bewachung mit Sekundärarbeiten betraut werden. Die Gefangenen akzeptierten, viel Auswahl hatten sie nicht. Auf einen Wink des Generals hin befreite man die Männer von den Fesseln und stellte sie ans Ende der Formation.
Kepler hatte die Vorstellung gefallen. Und sie schien die übliche Vorgehensweise des Generals zu sein. Seine Zusicherung, dem einfachen Volk nichts antun zu wollen, stimmte anscheinend wirklich.
Alles schien erledigt zu sein, aber Abudis Gesicht wirkte nicht mehr so gelöst wie vorhin. Die Schwarzvermummten kehrten zurück und zerrten dabei jemanden mit. Kepler stellte überrascht fest, dass es der Junge aus Sobis Truppe war.
Abudi blickte den zitternden Mann, der die ganze Nacht hindurch geweint zu haben schien, wütend an. Dann richtete er seinen Blick auf die Milizen.
"Männer", rief er. "Ihr habt tapfer gekämpft, einige eurer Kameraden haben ihr Leben in diesem Kampf gelassen. Wir haben sogar einen Weißen unter uns, der wie ein anständiger Mann gekämpft hat. Aber wir haben auch den hier." Abudi zeigte auf den Jungen, der nunmehr in den Armen von zwei Männern hing. "Der hat sich in den Fuß geschossen und sich dann unter einem Busch versteckt, während sein Hauptmann mit nur einem Mann einen Hügel hielt." Abudi schwieg kurz. Als er wieder zu sprechen begann, klang seine Stimme hart. "Das ist nicht nur feige. Das ist Verrat – an mir und an euch. Ich werde so etwas niemals dulden." Er sah den Jungen an. "Ich verurteile dich zum Tode. Hauptmann Sobi", befahl er über die Schulter, "das Urteil vollstrecken."
Die beiden Leibwachen drückten den Jungen auf die Knie, während Sobi hinter seinen Rücken ging. Der Junge krümmte sich dermaßen vor Angst und Pein, dass er nicht aufrecht kniete, sein Kopf lag fast auf der Erde. Sobi musste seitlich an ihn treten. Er zog seine Pistole und schoss dem sich windenden Mann ins Genick. Abudi sah auf die Leiche, danach auf die Milizen.
"Ich will so etwas nie wieder tun müssen", sagte er laut und deu tlich.
Die alten Römer exekutierten, wenn eine Einheit Feigheit vor dem Feind g ezeigt hatte, rücksichtslos jeden zehnten, den das Los traf, egal ob er weggelaufen war oder nicht. Aber irgendwann hatten sie die Dezimierung abgeschafft. Diese Methode war zweischneidig. Sie stärkte unter Umständen wirkungsvoll die Moral, aber sie konnte auch genau das Gegenteil bewirken.
Die Leiche des Jungen wurde sofort fortgeschleift, nur die Blutpfütze erinnerte an die Exekution. Der General entließ die Männer. Sie hatten den Tag zum Erholen, abgesehen vom Wachdienst.
Kepler beobachtete die Stimmung weiter. Abudis Vorgehen war zwar nicht unbedingt zeitgemäß. Aber Afrikas Gesetze waren eigen und der General kannte sie sehr gut. Die Milizen waren etwas angespannt, aber wie Kepler es an Gesprächfetzen aufgeschnappte, hießen sie die harte Strafe größtenteils richtig.
Am Nachm ittag kam Sobi zu Kepler, als er im Schatten einer Hütte an die Wand gelehnt saß und die SWD reinigte. Im Schlepptau hatte der Hauptmann einen jungen Mann, der dem hingerichteten ähnelte.
"Das ist Kobi", sagte Sobi kurzangebunden, "er wird dir zur Hand gehen, dich decken und so weiter."
"Danke, Sir."
Kepler erhob sich. Sobi drehte sich um und ging, ohne auf ihn zu achten. Ke pler ging ihm nach. Der Hauptmann blieb stehen und sah ihn unwirsch an.
"Vielen Dank", wiederholte Kepler, dann sprach er leise, damit der Junge ihn nicht hörte. "Könntest du mir nicht einen von den Erfahreneren geben? Nicht, dass der Kleine dasselbe macht wie der letzte."
" Sorge einfach dafür, dass er es nicht tut", herrschte Sobi ihn an.
"Im Gefecht muss ich dich decken", erwiderte Kepler ruhig. "Ich habe dann keine Zeit, Babysitter zu sein."
"Kobi wird es schon machen", brummte der Offizier etwas milder. "Einen a nderen kriegst du nicht. Ich muss auch so schon fünf Leute ersetzen."
Kepler ging wortlos zurück. Der Junge grinste ihn scheu an und streckte ihm die Hand entg egen.
"Ich bin Joe", sagte Kepler, als er Kobi die Hand drückte. Er ließ sie nicht los und sah dem Jungen ins Gesicht. "Ich bin zwar weiß, aber wir können trotzdem gut miteinander auskommen." Er sah in die Augen des Jungen ohne zu lächeln und quetschte seine Hand zusammen. "Aber – läufst du davon oder so etwas,
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