Die Ratte des Warlords (German Edition)
Südkenias bot eine kolossale Kulisse für ihre Bilder. Hier fand Katrin doch noch das, was sie in Afrika gesucht hatte. Bewegt, manchmal zu Tränen gerührt, fotografierte Katrin die wunderschöne, monumentale Savanne. Das Leben hier war hart, aber nicht unmöglich, schwer, aber nicht unmenschlich, anstrengend, aber nicht aussichtslos. Es war ein auf das Wesentliche reduziertes Leben und dennoch reich an Freude. Bei ihren Reisen durch die kenianischen Nationalparks und vor allem durch die Naturschutzgebiete, fand Katrin Motive, die Menschen mit der unglaublichen Schönheit der Natur verbanden. So wie die Ranger im Naturschutzgebiet Masai Mara, die unerbittlich Wilderer jagten und sich im nächsten Moment mit angehaltenem Atem um das verletzte Junge eines Gnus kümmerten. Auf Katrins Bildern verschmolzen die Menschen und die Serengeti zu einem untrennbaren Ganzen. Die Augen, sowohl die der Menschen, als auch die der Tiere, spiegelten den uralten Hunger nach Leben und die Freude daran. Die wenigen Bäume unter dem tiefblauen Himmel waren wie die wenigen Menschen, sie alle waren tief mit der Erde verbunden, auf der sie lebten.
Dieses unwirsche Land, das auf den ersten Blick so wenig anziehend war, e rschloss sich bei näherer Betrachtung als ein prächtiges Wechselspiel zwischen Mensch, Tier und der Natur.
Katrin hatte Kenia mit ihrem ganzen Wesen genossen, hier war es so gewesen, wie sie sich Afrika erträumt hatte. Der Monat, den sie hier verbracht hatte, hatte ihr die Möglichkeit gegeben, sich zu regenerieren und den Glauben an das Gute wiederzufinden. Katrin verließ Kenia mit tiefem Bedauern, aber sie fühlte sich gestärkt und zuversichtlich, als sie die Grenze zu Sudan überschritt.
29. Dieses Land war für Katrin ein Schock. Zum einen war Sudan, im Gegensatz zu den Ländern, die sie bis dahin besucht hatte, muslimisch. Das brachte für eine Frau etliche Schwierigkeiten. Katrin musste sehr sorgfältig auf ihre Kleidung und ihr Verhalten achten, wenn sie zu Erkundungsreisen aufbrach.
Zum anderen war da die Gewalt. Der Sezessionskrieg um die Unabhängigkeit des Südens vom Norden wütete mehr oder minder stark, daneben gab es Kämpfe in den Darfurprovinzen. Und im gesamten Land versuchten unabhängige Warlords, eigene Herrschaftsgebiete zu schaffen. Die Zentralregierung ging mit dem Einsatz der Armee und paramilitärischer Milizen gegen die Aufständischen vor.
Egal wie hehr die jeweiligen Ziele der Kämpfenden waren, die Leidtragenden waren die Zivilisten, vor allem Frauen und Kinder. Katrin wollte den Krieg nicht sehen, und in Kenia hatte sie Kraft gesammelt, aber nicht lange nachdem sie im Sudan angekommen war, sehnte Katrin sich, nachdem sie in Kenia fast wunschlos glücklich gewesen war, wie noch nie in ihrem Leben zuvor nach Hause.
Sie wünschte sich die Zeit herbei, richtig duschen zu können, zu McDonalds zu gehen und ins Kino, und die Kleidung anzuziehen, die ihr gefiel. Sie schämte sich für diese Wünsche. Und auch für die Möglichkeit, es wirklich tun zu kö nnen, angesichts des Leides, das ihr jeden Tag aufs Neue begegnete, aber sie konnte nicht dagegen ankämpfen.
Genauso stark wie nach Hause, sehnte Katrin sich mehr als je zuvor nach j emandem, mit dem sie über ihre Empfindungen und Gefühle sprechen konnte.
Die Gebiete , wo die heftigsten Kämpfe tobten, wollte Katrin meiden, aber sie wollte nicht mehr davonlaufen. Deswegen wollte sie nicht mit dem Zug nach Khartum reisen, sondern mit sich bietenden Gelegenheiten.
Im Sudan schienen all die Probleme anderer afrikanischer Länder konzentriert. Hier gab es AIDS, Krieg, Armut, religiöse und ethnische Unruhen in Verbindung mit einer wunderschönen Natur.
30. Nach einer Woche kam Katrin in der Stadt Bur an, in deren Gebiet Erdöl von ausländischen Konzernen gefördert wurde. Katrin machte Bekanntschaft mit einigen Europäern, die hier arbeiteten, und wunderte sich über die Fähigkeit der meisten von ihnen, die Geschehnisse um sie herum aus ihrer Wahrnehmung auszublenden und sich nur auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Für sie war der Sudan nur ein exotisches Land mit sonderbarer Kultur und seltsamen Bräuchen. Ob sie das unendliche Leid überhaupt bewusst wahrnahmen, bezweifelte Katrin.
Von Bur aus fuhr Katrin mit dem Schiff auf dem Nil nach Malakal. Dort suchte sie die nächste passende Gelegenheit für die Weiterreise. In einem Lokal, in dem sie zu Mittag aß, lernte Katrin eine Gruppe spanischer Männer kennen, die in Sudan Urlaub
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