Die Ratte des Warlords (German Edition)
rüttelte, dachte sie ernsthaft daran, au fzugeben. Sie wollte zurück nach Hause. Nicht um zu vergessen, das konnte sie gar nicht mehr. Sie wollte soviel Abstand zu Afrika gewinnen, dass die gähnende Leere, die sich in ihr ausbreitete, wieder verschwand. Und sie wünschte sich, sie wäre nicht allein unterwegs, sondern mit jemandem, mit dem sie über das, was sie auf ihren Bildern festhielt, auch reden konnte. Die Eindrücke brannten in ihrer Seele immer stärker, und sie litt immer mehr darunter.
Ein halbes Jahr vor ihrem Aufbruch hatte sie einige Bilder an eine US-amerikanische Zeitschrift verkaufen können und vor Beginn ihrer Reise hatte Katrin still und vor sich selbst verlegen gehofft, ein Foto zu machen, das ihr in der Kategorie Feature-Fotoberichterstattung den Pulitzer einbringen würde.
Mittlerweile dachte sie nicht mehr an den Preis. Sie konnte gute Bilder m achen, die schlicht und ergreifend waren, ohne schreiende Wirkung. Aber Katrin wusste jetzt auch, dass die übrige Welt nach einem Blick auf ihre ergreifenden Bilder mitfühlend den Kopf schütteln und sich dann weiter drehen würde. Weil es sie nicht interessierte.
Der Grund, warum Katrin trotz ihres Zustandes weitermachen wollte, war das andere Afrika. Das Afrika, das Katrin zu lieben gelernt hatte, das sie verzaubert hatte und das sie das Elend ertragen ließ.
Und es war en die Menschen, die trotz allem froh waren, am Leben zu sein.
Es war die Hoffnung, die die Menschen lachen ließ. Sie lebten trotz aller Wi drigkeiten, sie blickten in die Zukunft und sie lächelten. Weil sie dieses Afrika zu lieben gelernt hatte, war Katrin noch nicht völlig entmutigt. Und sie war auch zuversichtlich, weil es auch die meisten Menschen hier waren.
Sie brauchte nur eine kleine Auszeit. Sie überlegte, was sie auf andere Geda nken bringen und wie sie ihre Reise fortsetzen könnte, ohne an ihren Eindrücken vollends zu zerbrechen. Sie entschied, dass sie etwas Grundfestes sehen musste, um wieder zu sich zu kommen und weitermachen zu können.
Zurück in Sambia, reiste Katrin nach Livingstone, das an den Victoriafällen lag. Dort angekommen, machte sie Fotos von den eindrucksvollen Wa sserfällen. Der auf Kilometer zu sehende Sprühnebel über den in die Tiefe stürzenden Wassermassen und der Regenwald um den Fluss herum waren in ihrer Schönheit der krasse Gegensatz zu den Eindrücken, die Katrin bis dahin gesammelt hatte. Sie freute sich über die Ehrfurcht vor der Natur, die die Natur selbst in ihr auslöste. Damit dieses Gefühl nicht verschwand, sondern so lange wie möglich anhielt, nahm Katrin, sofort nachdem sie im Mosi-oa-Tunya-Nationalpark angekommen war, an einer Safari teil. Der Park erstreckte sich entlang des Oberlaufs des Sambesi von den Victoriafällen etwa zwölf Kilometer flussaufwärts. Er war klein, bot aber viele Möglichkeiten, Antilopen, Giraffen, Elefanten, Zebras und Rhinozerosse zu beobachten. Katrin schloss sich einer Rundfahrt an und atmete dabei endlich erleichtert. Die Rundfahrt war nach einigen Stunden zu Ende, aber Katrin fühlte sich noch nicht genug befreit. Sie mietete einen Wagen direkt vor den Toren des Parks und tauchte wieder in den grünen Wald ein.
Der Regenwald wurde sehr oft als die grüne Lunge des Planeten bezeichnet, und genau diese Wirkung hatte er auf Katrin. Sie verbrac hte zwei Tage im Park und ihre innere Unruhe legte sich. Ihr Kopf wurde freier und ein leises Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie den Park verließ.
Sie setzte ihre Reise fort , die Abstecher hielt sie jetzt allerdings kürzer, damit sie sich selbst nicht überforderte. Eine Woche später kam sie über Umwege nach Lusaka, um per Flugzeug weiter nach Kenia zu reisen. Auf dem internationalen Flughafen war Katrin einige Augenblicke lang versucht eine Maschine nach Europa zu besteigen. Aber es wäre Verrat an sich selbst, deswegen verwarf Katrin diesen Gedanken und buchte einen Flug nach Nairobi. Eine mit fröhlichem Rot und Grün verzierte weiße Boeing 737-300 der Kenya Airways brachte Katrin am nächsten Tag zum Jomo Kenyatta International, dem etwa zehn Kilometer von Nairobi entfernt liegendem Flughafen. Katrin nutzte die recht moderne Ausstattung des Flughafens, um über das Internet die angesammelten Fotos nach Hause zu schicken und um neue Filme für ihre optische Canon -Kamera zu besorgen. Nachdem das erledigt war, besorgte Katrin einen Reiseführer und studierte ihn ausführlich. Zwei Tage später brach sie wieder auf.
Die Natur
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