Die Ratten im Maeuseberg
in
der Pataphysik gelernt? Zweitens wird in Polen ständig
gesoffen, und Sie trinken doch nicht.“
„Stimmt.“
„Sie Verräter! Also kümmern Sie
sich nicht um Mademoiselle und um Polen und spucken Sie’s aus.“
„Also Vorsicht! Ich spucke! Sie
heißt Marie...“
„Wie die Jungfrau?“
„Ganz im Gegenteil.“
„Also Maria-Magdalena?“
„Schon eher. Eine Nymphomanin.
Alle hier im Viertel wissen Bescheid über ihre
Ausschweifungen. So heißt das doch, oder? Völlig verrückt, die Kleine. Hat
richtige Anfälle. Reißt einfach aus. Ich glaube, sie war schon mal in
psychiatrischer Behandlung. Ohne Erfolg.“
„Sie schläft also mit jedem
Erstbesten?“
„Nicht mit jedem! Sie sucht
sich ganz spezielle Männer. Je verkommener, desto besser. Einmal hatte sie
einen vom Flohmarkt an der Porte de Vanves. Ihr Mann
hat sie nach Wochen bei dem Trödler aufgestöbert.“
„Ach, verheiratet ist sie
auch?“
„Ja. Mit einem angesehenen
Mann.“
„Daß der angesehen wird, kann
ich mir vorstellen.“
„Sogar in dreifacher Hinsicht.
Er ist Maler. Großer Kunstpreis von Rom und so. Stellt im Salon aus.
Porträtiert bekannte Persönlichkeiten. Arbeitet auch für den Staat.“
„Das bringt Salz in die Suppe“,
warf Messac sarkastisch ein. „Ein anderes Mal“, fuhr Jakowski fort, „gab’s da
‘ne Geschichte in einer Bar, in der Rue Pernety. Genaueres weiß ich nicht. Ihr
Mann hat das wieder zurechtgebogen.“
„Hat der auch einen Namen?“
„Auguste Courtenay.“
„Auguste, wie Renoir.“
„Wie der Partner des Clowns.“
„Und wo wohnt das tolerante
Paar?“
„Rue des Camélias.“
„Nummer?“
„Weiß ich nicht genau. Ein Haus
in normannischem Stil. Grauer Stein, Stuckverkleidung, mit Efeu bewachsen. Ein
Atelier ist später angebaut worden, stört aber nicht zu sehr. An der Seite eine
Garage im selben Stil.“
„Und eine Laterne aus
Schmiedeeisen unter dem Vordach der Eingangstür?“
„Ja.“
„Ist mir aufgefallen, als wir
eben vorbeigefahren sind. Sah unbewohnt aus.“
„Gestern hab ich Courtenay aber
noch gesehen. Hm... Aber sie... Sagen Sie, hat sich die Marie wieder was
geleistet? Die hab ich nämlich schon seit einigen Tagen nicht mehr gesehen.
Wenn ich zum Markt fahre, komme ich immer an dem Haus vorbei. Meistens steht
sie an einem der Fenster... halbnackt natürlich... Aber seit einigen Tagen hab
ich sie nicht mehr gesehen. Tja, entweder zieht sie wieder durch die Gegend...
oder ihr Mann hat sie umgebracht. Früher oder später wird er das sowieso tun.
Droht ihr ständig damit...“
„Hm... Vielleicht kommt sie ihm
zuvor...“
„Wie meinen Sie das?“
„Daß sie ihren Mann tötet.“
„Wie gesagt, den hab ich noch
gestern gesehen. Lebend.“
„Dann vielleicht jemand anders.
Ich will offen sein, Jakowski. Ich arbeite für einen, der mit ihr geschlafen
hat. Ein verheirateter Mann, der ‘ne schwache Minute hatte. Er weiß nichts von
ihr: weder Alter noch Namen noch Adresse. Nur dieses Foto hat sie bei ihm
vergessen. Mein Klient hat Schiß, weil sie ihm gedroht hat, ihn zu töten. Frage
mich, ob sie imstande ist, mit so was zu drohen und die Drohung in die Tat
umzusetzen. Oder hat mein Klient mir einen Bären aufgebunden?“
Jakowski zuckte bedauernd die
Achseln.
„Keine Ahnung, mein Lieber.
Aber bei Verrückten muß man auf alles gefaßt sein. Vor allem weil sie säuft und
Drogen nimmt.“
„Mit anderen Worten: wenn Sie
hören würden, daß Marie Courtenay jemanden umgebracht hat, wären Sie nicht
überrascht?“
Er überlegte einen Augenblick.
„Ehrlich gesagt, nein.“
„Danke. Was anderes. Sie sind
doch Kunstkritiker. Sehen Sie sich das mal an.“
Ich steckte das Foto wieder ein
und reichte ihm die Zeichnung, hinter der ich das Foto gefunden hatte.
„He!“ rief Ralph Messac und
pfiff durch die Zähne. „Hübsch, hm? Was sagen Sie dazu, Jakowski?“
„Wissen Sie“, lachte der
Kunstkritiker, „ich beschäftige mich vor allem mit naiver Malerei.“
„Und egal, was
,naiv’ heißt, dies hier ist ziemlich weit weg davon. Stimmt. Aber könnte
das von Auguste Courtenay stammen?“
„Einer, der den Preis von Rom
kriegt, begehrter Aussteller im Salon, unterstützt vom Staat... So einer ist zu
allem fähig. Zum Spaß, oder um sich selbst wieder in die Augen sehen zu können.
Aber das hier stammt nicht von ihm.“
„Verändern einige Künstler
nicht ihre Handschrift, wenn sie so was zeichnen?“
„Sicher, aber trotzdem bleibt
was übrig von
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