Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ratten im Maeuseberg

Die Ratten im Maeuseberg

Titel: Die Ratten im Maeuseberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
Vom Netzwerk:
Steuererleichterung
nieder. Den vier dicken Tropfen auf die heißen Steine der Rue Nansouty folgten
keine weiteren mehr. Der Niederschlagsmesser von Montsouris — das Prunkstück
der Kopie des Palais du Bardo, die seit der Weltausteilung 1867 im Park steht —
konnte seinen Durst nicht stillen. Die bleifarbenen Wolken jedoch blieben über
Paris auf ihrem Posten und verlegten den Einbruch der Nacht vor. Hin und wieder
zuckte ein Blitz auf, gefolgt von himmlischem Donnern.
    Ich aß ‘ne Kleinigkeit im
Babel. Dann machte ich mal was ganz anderes: ich fuhr in die Rue des Camelias.
Jetzt war Auguste Courtenay tatsächlich zu Hause. Prompt öffnete er mir auf
mein Klingelzeichen hin. Ich weiß nicht, ob der Staat ihm die Aufträge
gestrichen oder man ihm geraten hatte, von nun an Picasso zu imitieren.
Jedenfalls war sein komisches Gesicht ein ziemlich komisches Gesicht.
    „Ah! Monsieur Burma!“ rief er.
„Das trifft sich gut. Kommen Sie...“
    Ich folgte ihm.
    „Ich wollte Sie gerade anrufen,
Monsieur Burma. Meine Frau ist verschwunden.“
    Ich runzelte die Stirn.
    „Von wegen“, sagte ich. „Ich
hab die Schnauze voll von dem Versteckspiel. Aus dem Alter bin ich raus. Ich
fahre hierher: Niemand da! Ich rase nach Saint-Rémy: Fehlanzeige! Ich komme
wieder hierher zurück und... Jetzt reicht’s! Hab sowieso schon viel zuviel Zeit
verloren. Wo ist Ihre Frau?“
    „Aber wenn ich’s Ihnen doch
sage! Sie ist verschwunden“, antwortete er mit kummervollem Gesicht.
    „Wieder ein kleiner Ausflug?“
    „Verdammt nochmal! Nennen
Sie’s, wie Sie wollen. Jedenfalls ist Marie schon ‘ne ganze Zeit nicht mehr in
ihrem Zimmer.“
    Sah wirklich nicht so aus, als
wollte er mich verarschen. „Wo kann sie sein?“ fragte ich.
    „Was weiß ich, wo sie immer
hingeht, wenn sie abhaut?“ Ich holte meine Pfeife raus, um Haltung zu bewahren.
Aber plötzlich war’s mir so, als hätte ich einen Kater. Rauchen kam nicht in
Frage.
    „Erzählen Sie“, sagte ich.
    „Da gibt’s nicht viel zu
erzählen.“
    „Was haben Sie den Tag über
gemacht?“
    Er berichtete in abgehackten
Sätzen. Viele Wiederholungen, Rückblenden, Exkurse. Im großen
und ganzen kam folgendes dabei raus: Er hatte beschlossen, seine Frau so
schnell wie möglich nach Paris zurückzubringen, damit ich mit ihr sprechen
konnte und der ganze Spuk ein Ende hatte. Er vertraute mir nämlich. Direkt
morgens war er nach Saint-Rémy gefahren. Einen Großteil des Tages hatten sie
dort verbracht, bevor sie in aller Ruhe nach Paris gefahren waren. Marie hatte
den Eindruck gemacht, als ginge es ihr besser. Nur noch etwas müde, nervös,
aufgewühlt. In der Rue des Camélias dann hatte der Maler noch etwas gewartet,
bevor er mich anrufen wollte. Und seine Frau war in ihr Zimmer gegangen, um
sich noch etwas auszuruhen...
    „Ich bin in mein Atelier
gegangen. Wieviel Zeit vergangen war, weiß ich nicht mehr; aber als ich in ihr
Zimmer kam... war niemand mehr da! Verdammt! Sie hat seit achtundvierzig
Stunden keinen Mann mehr gehabt. Bestimmt länger, als sie’s aushalten kann...“
    „Tja... Haben Sie ihr gesagt,
warum Sie sie zurück nach Paris bringen wollten? Haben Sie ihr von mir
erzählt?“
    „Ja.“
    „Wie?“
    „Daß ich Vertrauen zu Ihnen
habe. Und daß sie es auch haben könne. Daß Sie ihr ein paar Fragen stellen
wollen, daß Sie aber keinen offiziellen Auftrag haben. Und selbst, wenn sie
schuldig ist: daß Sie nicht der Mann sind, der sie aufs Schafott bringt.“
    „Und wie hat sie darauf
reagiert?“
    „Sie schien erleichtert, war einverstanden, mit Ihnen zu sprechen. Übrigens, meine Frau hat
den Mord nicht begangen. Sie hat mir erzählt, wie’s passiert ist. Sie war
stockbetrunken gewesen, dazu mit Drogen vollgepumpt. Sie kam aus einem Zimmer,
um irgendwo hinzugehen. Und als sie zurückkam, hat sie sich in der Tür geirrt.
Sie stolperte über einen Körper. Eine Leiche, blutüberströmt. Sie schreit auf,
rennt weg, so wie sie ist, halbnackt, jetzt ebenfalls blutbeschmiert...“
    „Möglich. Aber warum, zum
Teufel, ist sie wieder abge-haun? Ja, ich weiß, das macht sie oft. Aber
trotzdem... Wie kommt es übrigens, daß Sie nicht gehört haben, als sie das Haus
verließ?“
    „Mein Atelier ist schalldicht abgeschirmt,
damit ich ungestört arbeiten kann.“
    „Und sie ist einfach durch die
Tür hinausgegangen? Nicht durchs Fenster?“
    „Durch einen ehemaligen
Lieferanteneingang. Die Tür stand noch offen. Wollen Sie sich’s ansehen,
Monsieur

Weitere Kostenlose Bücher