Die Ratten im Maeuseberg
genau.“
Ich schielte zur Ginflasche. Er
hatte sie aber schon geschafft.
„Ich glaub, ich mach jetzt mal
Spurensicherung“, sagte ich. „Wird auch höchste Zeit“, fauchte der Hofmaler.
Er schmiß die leere Flasche in
die Ecke, stand auf und holte Nachschub.
„Genau“, sagte ich. „Ziehen Sie
sich die Kapuze schön zu. Aber hören Sie mit dem Restchen Verstand noch kurz
zu: Sie haben mich angerufen, weil Ihre Frau vorgestern nacht in einem traurigen Zustand nach Hause gekommen ist. Sie haben befürchtet, daß
sie in eine üble Geschichte verwickelt war. Mehr wissen Sie nicht, o.k?“
„Verschwinden Sie“, zischte er.
Ich ließ ihn mit dem Gin
alleine und ging erst mal ins Zimmer der Toten. Nichts zu ernten. Dann ging ich
den Weg, den die junge Frau genommen hatte. Das Schloß des ehemaligen
Lieferanteneingangs war frischgeölt. Von außen, so als hätte man es für einen
Passepartout oder einen Dietrich präpariert. Eine kleine Vorarbeit, die nach
den Ratten von Montsouris aussah.
Ich ging zurück zu Courtenay.
Er schlief schon halb.
„Sie hatten recht“, sagte ich.
„Ihre Frau hatte schon seit achtundvierzig Stunden keinen Mann mehr gehabt.
Länger, als sie’s aushalten konnte.“
„Haun Sie ab“, knurrte er.
Ich gehorchte.
Ich kam gerade noch vor dem
Gewitter nach Hause. Es hatte sich endlich entschieden. Ich stellte das Telefon
ab und ging schlafen. Der Regen begoß meine verschwommenen Gedanken.
* * *
Ich schlief spät ein und wachte
spät auf. Als ich das Telefon wieder anstellte, klingelte es sofort.
Überraschte mich gar nicht. Erstens hatte ich dem Flic des 14. — dem hellen
Kopf! — meinen Namen genannt, und zweitens war Courtenay inzwischen auch wieder
auf den Beinen. Ich nahm den Hörer ab. Das wohlklingende Organ von Kommissar
Faroux dröhnte an mein Ohr. Überraschte mich noch viel weniger.
„ Salut. Nestor.“
„ Salut, Florimond.“
„Haben Sie mich erwartet?“
„So ungefähr.“
„Dann haben Sie doch bestimmt
genug Märchen auf Lager, mit denen Sie mich glücklich machen können“, lachte
er. „Sie wissen doch, ich liebe Ihre Geschichten.“
Ich beglückwünschte mich
insgeheim zu seiner guten Laune.
„Ja“, lachte ich zurück. „Sie
brauchen sich nur eins auszusuchen. Das beste ist
gerade gut genug für Sie.“
„Vielen Dank. Und jetzt Schluß
mit dem Quatsch. Ist viel zu heiß dafür, trotz Gewitter. Immer noch diese
Affenhitze. Also... Gestern abend hat sich eine junge
Frau...“
Und er schilderte mir den Tod
von Marie Courtenay, so als wär mir das alles völlig neu gewesen.
„Sie waren am Unglücksort“,
schloß er seinen Bericht.
„In der Nähe, ja.“
„Warum?“
„Madame Courtenay war
Nymphomanin. Immer auf der Jagd, immer auf Wanderschaft. Neulich nachts kam sie
blutverschmiert an den heimischen Herd zurück. Ihr Mann hat sich Sorgen
gemacht. Sie wissen doch, wer ihr Mann ist, oder?“
„Ja.“
„Er lebte immer in der Angst,
sie hätte bei ihren Eskapaden irgendeinen Scheiß machen können. Wie ich gehört
hab, hat sie schon ein- oder zweimal Arger gekriegt.“
„Riesenärger, ja.“
„Kurz und gut, ich sollte mir
das mal aus der Nähe ansehen. Hat sein Goldstück zur Beruhigung aufs Land
geschickt. Dann hat er sie wieder nach Paris geholt, damit ich mit ihr reden
konnte. Als ich bei ihm aufkreuzte, war sie schon wieder unterwegs. Kurz darauf
war’s so weit. Sie wissen, wie ich’s erfahren habe.“
„Ja.“
Ich hörte, wie Faroux mit
Papier raschelte.
„Ja“, wiederholte er. „Kommt
hin. So ungefähr dasselbe hat Courtenay den Kollegen heute nacht erzählt. Er war sternhagelvoll, konnte aber noch reden. Sehr gut. Und mehr
gibt’s nicht zu erzählen? Ich will keinen Arger mit Ihnen haben, verstanden?“
„Werden Sie nicht kriegen“,
beruhigte ich ihn. „Hoffentlich nicht.“
Ich stieß einen Seufzer der
Erleichterung aus, unhörbar für den Kommissar. Dann sprach ich wieder in die
Muschel:
„Für mich ist die Sache damit
erledigt. Sie verfolgen jetzt die Spur... wenn’s eine gibt.“
„Es gibt eine.“
„Ach, der Zettel, den man in
ihrer Tasche gefunden hat? Hat sie tatsächlich einen Mord begangen?“
„Nicht auszuschließen.
Jedenfalls wußte sie, daß in der Rue Blottière einem Kerl namens Ferrand die
Kehle durchgeschnitten worden ist. Und wir wußten es nicht. Die Kollegen des
14. sind sofort in die Rue Blottière gerast. Gerade rechtzeitig zur Ausgrabung
der
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