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Die Ratten im Maeuseberg

Die Ratten im Maeuseberg

Titel: Die Ratten im Maeuseberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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gestatten,
daß ich Sie mir etwas näher ansehe? ... Hm... So verrückt sehen Sie gar nicht
aus.“
    „Ihnen muß ich doch nicht
erzählen, wie sehr der äußere Anschein täuschen kann, Doktor“, gab ich zurück.
    „Ja, ja, natürlich. Und was
kann ich für Sie tun? Ich möchte Sie bitten, sich kurz zu fassen. Ich hab’s
eilig und...“
    Er hielt es nicht für nötig,
den Satz zu beenden. Meine Visitenkarte legte er auf einen Kamin, der mit
seltsamen Gegenständen überladen war. Wie Jakowskis Kunstsammlung. Mit etwas
vorgebeugtem Kopf stand er vor mir. Das gab dem Kneifer auf seiner Nase beinahe
den Rest.
    „Ich werde mich sehr kurz
fassen“, beruhigte ich ihn. „Nur eine Frage.“
    Er hob die Hand.
    „Moment! Ich möchte Sie auch
etwas fragen. Woher haben Sie meine Telefonnummer? Ich stehe schon lange nicht
mehr im Telefonbuch, seit ich um zwei Uhr nachts aus dem Schlaf geklingelt
wurde. Die Witzbolde fragten dann, ob ich nicht ganz schön verrückt sei, um die
Zeit den Hörer abzunehmen... Und offensichtlich wußten Sie gar nicht, wen Sie
anriefen, als Sie mich anriefen.“
    „Stimmt! Ich wußte es nicht.
Und wahrscheinlich wär ich auch gar nicht gekommen. Aber ich interessiere mich
für Psychiatrie.“
    „Eine faszinierende
Wissenschaft, Monsieur. Also: Woher hatten Sie meine Telefonnummer?“
    „Sie stand auf einem Zettel,
den ich in meiner Tasche gefunden habe. Irgend jemand hat sie mir wohl zugesteckt.“
    „Um Ihre Phantasie anzuregen?“
    „So was in der Richtung, ja.“
    „Hm... Und jetzt Ihre Frage.“
    „Es geht um ein Verbrechen.“
    „Das ist keine Frage und geht
wohl eher die Polizei an.“
    „Im Augenblick eher nicht. Aber
jetzt meine Frage: Hatten Sie mal eine Patientin namens Marie Courtenay,
neurotische Nymphomanin, drogenabhängige Alkoholikerin?“
    „Haben Sie einen offiziellen
Auftrag?“
    „Nein.“
    „Bedaure, dann kann ich Ihnen
die Frage nicht beantworten.“
    „Schweigepflicht?“
    „Wenn Sie so wollen, ja.
Überrascht Sie das?“
    „Überhaupt nicht. So eine
Antwort hatte ich erwartet.“
    „Und warum haben Sie die Frage
dann gestellt?“
    „Um zu sehen, wie Sie darauf
reagieren.“
    „Und Schlüsse daraus zu
ziehen?“
    „Genau.“
    „Und welche Schlüsse ziehen Sie
aus meiner Reaktion?“
    „Gar keine. Sie sind schlau,
Doktor.“
    Er zuckte die Achseln.
    „Nicht schlauer als andere.
Aber Sie scheinen sich in einem hübschen Interpretationsdelirium zu befinden,
Monsieur Burma. Schade, daß ich nicht die Zeit habe, Sie zu analysieren.“
    Er sah auf die Kaminuhr.
    „Ich werde in Sainte-Anne
erwartet. Begleiten Sie mich?“
    „Ich muß unbedingt duschen.
Aber das werde ich in einem öffentlichen Bad tun. Also dann, entschuldigen Sie
die Störung, Doktor. Sie haben ja meine Karte. Sollten Sie...“
    „Ich fürchte, ich kann Ihnen
nicht von Nutzen sein“, sagte er entschieden.
    „Tja...“
    Wir gingen hinaus. In der Tür
drehte ich mich noch mal um. „Übrigens, Ferrand hieß der Mann, der mir Ihre
Telefonnummer zugesteckt hat.“
    „Ja, und?“
    „Ich frage schon nicht, ob Sie
ihn kennen.“
    Er lächelte.
    „Sehr vernünftig.“
    „Bei wem kann man sich Ihre
Telefonnummer besorgen?“
    „Bei meinen Patienten
natürlich, oder bei ihren Angehörigen. Das sind die einzigen, denen ich sie
gebe. Aber erstens erzählen meine Patienten nicht unbedingt überall herum, daß
sie bei mir in Behandlung sind. Zweitens verbietet mir die Schweigepflicht,
Ihnen Namen zu nennen...“
    „Und drittens“, setzte ich für
ihn die Aufzählung fort, „würde mir das gar nichts nützen. Angenommen, ich
wollte sie mir nacheinander vornehmen, dann hätte ich viel zu tun. Heutzutage
herrscht kein Mangel an Verrückten.“
    „Nein, wirklich nicht“, sagte
er und sah mich bedeutungsvoll an.
    Ich machte, daß ich wegkam.
Bevor er mich in die Zwangsjacke steckte...
    Draußen erklärte ich mich für
verrückt. Was hatte ich aus dem Psychiater rauszukriegen gehofft? War überhaupt
was aus ihm rauszukriegen? Da war ich bei der Rothaarigen bestimmt an der
besseren Adresse. Ich mußte gestern völlig behämmert gewesen sein, mich von
ihrem Mann vertrösten zu lassen.
    Ich setzte mich wieder in
meinen Wagen und fuhr zurück in die Rue des Camélias. Aus dem Haus des Malers
kam kein Lebenszeichen. Ich klingelte. Keine Reaktion. Kein Mensch zu sehen.
Ich begann zu schwitzen. Von zwei Schweißtropfen rührte nur einer von der Hitze
her.
    „Monsieur Courtenay ist nicht
zu Hause,

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