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Die Ratten im Maeuseberg

Die Ratten im Maeuseberg

Titel: Die Ratten im Maeuseberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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die Erziehung des Mädchens
kümmerte. Vielleicht hätte ich das nicht tun dürfen... weil es auf diese Weise
geendet hat... Na ja...“
    „Wiedergutmachung?“ hakte ich
nach. „Wollen Sie damit sagen, daß ihr Vater...“
    Er senkte den Kopf.
    „Ja, ich war es, der ihn zum
Tode verurteilt hat.“

18.

Für die Schönheit der Büste.
     
    Ich fuhr nach Hause und ging
früh zu Bett.
    Armand Gaudebert konnte noch so
viel erzählen, ein reizendes kleines Motiv gab es für eine Erpressung.
Henriette hatte es gesagt: weder sie noch er wollten gerne an diese Dinge
erinnert werden. Und deshalb konnte ein Ganove auf den Gedanken kommen, Geld
rauszuschlagen. Aber keine Millionen. Erstens, weil das Geheimnis nicht soviel
wert war, und zweitens, weil Henriette den ehemaligen Oberstaatsanwalt so gut
wie ruiniert hatte. Ferrand mußte demnach tatsächlich widernatürlichen
Beziehungen zwischen dem arroganten Bluthund und der Tochter des Gangsters auf
die Spur gekommen sein. Während er versuchte, sein Wissen zu Geld zu machen,
war er noch woanders hinter einer Sache her gewesen. Und die hatte ihm nicht
sonderlich viel Glück gebracht. Woanders? Los, Nestor, such!
     
    *
* *
     
    Suzanne Molinier hätte mir
vielleicht — vielleicht! — weiterhelfen können. Aber die saß im Kittchen, weil
sie den Araber abgeknallt hatte. Die Zeitungen erklärten sich die Tat
folgendermaßen: Suzanne Molinier hatte ihren Geliebten Mohammed betrogen, hatte
ihn wegen Ferrands schöner Augen sogar verlasssen. Mohammed hatte geschworen,
Ferrand bei der erstbesten Gelegenheit umzubringen. Und er hatte sein
Versprechen gehalten. Suzanne hatte die Zusammenhänge sehr schnell kapiert und
ihren neuen Freund umgehend gerächt. Dabei mochten auch noch andere mehr oder
weniger leidenschaftliche Gefühle eine Rolle gespielt haben.
    An diesem Punkt meiner
morgendlichen Lektüre und eigenen Überlegungen läutete das Telefon.
    „Hallo“, meldete sich eine
fröhliche Stimme, „Monsieur Burma? Hier spricht Jean Dalaruc, Psychiater.
Erinnern Sie sich?“
    „Natürlich! Für achtundvierzig
Stunden reicht mein Gedächtnis noch.“
    „Meins auch. Ich hab Sie in
sympathischer Erinnerung. Sie haben mir viel Spaß gemacht.“
    „Wie schön, Doktor. Dafür bin
ich auch da. Ich glaube, ich brauch ‘n paar Elektroschocks. Machen Sie mir
einen guten Preis!“
    „Gerne. Aber im Moment... weil
Sie mir sympathisch sind und ich gemerkt habe, daß Sie irgendwas suchen — was
genau, hab ich beim besten Willen nicht rauskriegen können —
, und weil ich Ihnen vielleicht helfen kann, ohne meine Schweigepflicht
zu verletzen...“
    „Ja?“
    „Sie haben von einer gewissen
Madame Courtenay gesprochen.“
    „Die nie bei Ihnen in
Behandlung war. Ich hab mich erkundigt...“
    „Sie war tatsächlich nie bei mir in Behandlung, stimmt.“
    „Und es besteht wenig Aussicht,
daß sie in Zukunft von Ihnen behandelt wird. Sie ist nämlich tot.“
    „Was?“
    „Tot. T-O-T.“
    Er lachte:
    „Also wirklich, in Ihrer
Bekanntschaft wird viel gestorben! Weil... äh...“
    „Weil?“
    „Sie haben noch einen anderen
Namen genannt. Ferrand. Hab in der Zeitung gelesen, daß der auch tot ist. Und
ich hab außerdem gelesen, daß er ein Freund eines gewissen Raoul Castellenot
war.“
    Ich schickte sein Lachen
zurück.
    „Der ist auch tot“, sagte ich.
„Gestorben an einer Art Gehirnschlag. Nicht weit von Ihnen, Boulevard Arago. Im
fahlen Morgengrauen.“
    „Das sollte mich wundern. Hab
ihn gestern gesehen. Und da ging es ihm ausgezeichnet.“
    „Wie... bitte?“
    „Er ist seit ungefähr zehn
Jahren in Sainte-Anne. Vollkommen verrückt. Nach den Abenteuern, die er erlebt
hat...“
     
    * *
*
     
    „Ich muß ihn unbedingt sehen,
Doktor!“ schrie ich.
    Es brach aus mir hervor.
Unüberlegt, unbewußt, unsinnig. Was hatte ich davon, den vollkommen
geistesgestörten Gangster zu sehen?
    „Ich muß ihn unbedingt sehen!“
    Ich sah ihn.
    Er saß in seinem kleinen Zimmer
auf dem schmalen Bett, mit abwesendem Blick zwar, aber nicht verrückter als
viele Blödmänner, die immer noch frei rumlaufen.
    Früher mußte er mal ein
kräftiger Bursche gewesen sein. Jetzt war er völlig abgemagert. Er hatte riesige
Augen, goldbraun, wie seine Tochter. Ein seltsamer Glanz lag in ihnen. Seine
feingliedrigen Hände waren ständig in Bewegung, so als ließe er Sand durch die
Finger laufen.
    „Tja“, sagte Dalaruc leicht
ironisch, als ich genug gesehen hatte. „Haben Sie was Neues

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