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Die Ratten im Maeuseberg

Die Ratten im Maeuseberg

Titel: Die Ratten im Maeuseberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Verbindung ist, Sie und Gaudebert.
Konnte gar nicht anders kommen.“
    Sie zuckte die Achseln, erhob
sich und sagte schroff: „Hören Sie, Monsieur Burma. Sind Sie so dumm, oder ist
das Ihre Masche, einer Frau den Hof zu machen? Ich kenne welche, die lieben
Idioten. Aber da sind Sie bei mir an der falschen Adresse. Ich habe nichts mit
diesem Drohbrief zu tun. Ich hasse Monsieur Gaudebert nämlich nicht. Vielleicht
war Ferrand tatsächlich ein Komplize meines Vaters. Aber ich war damals noch zu
jung, um mich daran erinnern zu können. Und an dem Tag, als hier eingebrochen
wurde, war ich nicht zu Hause. Sie suchen ja so gerne, schnüffeln und
schnüffeln. Sie können das gerne nachprüfen. Und jetzt werde ich mich
zurückziehen. Sie haben genug abenteuerliche Ideen, um die Wartezeit alleine
rumzukriegen.“
    Und sie verschwand. Ließ mir
nur ihr Parfüm und die Kippe im Aschenbecher zurück. Und meine abenteuerlichen
Ideen. Sie hatte gut daran getan, diese Gardinenpredigt zu halten. Ich kapierte
endlich, daß ich aus dem Tritt kam.
    Die Zeit erschien mir sehr
lang. Dabei waren es kaum zehn Minuten. Eine Tür wurde geöffnet, eine andere
oder dieselbe geschlossen. Schritte. Dann kam das Dienstmädchen zu mir. Wenn
ich ihr folgen wolle... Monsieur Gaudebert erwartete mich in seinem
Arbeitszimmer.
    „Guten Abend, Monsieur Burma“,
begrüßte er mich mit einem gequälten Lächeln.
    Sah aus, als sei der Herr
Oberstaatsanwalt nicht in Höchstform. Hatte wohl heute keinen Kopf bekommen.
    „Ich wollte mich abmelden,
Monsieur“, begann ich. „Wir wissen jetzt, warum Ferrand nicht zum Postamt
gekommen ist. Sein angegriffener Gesundheitszustand erlaubte es ihm nicht, die
Kohle zur Seite zu schieben und Ihre Kohle abzuholen.“
    „Ja, ich hab’s in der Zeitung
gelesen. Bestimmt eine Abrechnung unter Ganoven, oder?“
    „Bestimmt. Ende gut, alles gut.
Nicht für Ferrand, aber für Sie.“
    »Ja, ja...
    „Sie sind noch nicht recht
davon überzeugt?“
    Er tauchte wieder auf.
    „Ich? Oh doch, doch...“
murmelte er.
    Nach einer Schweigeminute sagte
er:
    „Ende gut, alles gut... Hm...
Ich überlege... Der Mann hatte vielleicht... ganz sicher hatte er Komplizen.
Und wenn er über seine Pläne gesprochen hat...“
    „Aber, aber, Monsieur“, unterbrach
ich ihn lachend. „Malen Sie den Teufel nicht an die Wand.“
    „Tja...“ Sein gezwungenes
Lächeln verschwand. „Sie haben recht... Sagen Sie... Henriette... Ich nenne sie
immer Henriette... hat mir erzählt, daß Sie Dinge wissen...“
    Mit einer großzügigen Handbewegung
wischte ich sie zur Seite.
    „Hab alles wieder vergessen.
War anscheinend sowieso kein Geheimnis. Kam mir nur so vor.“
    „Das hatte Ferrand sicher auch
rausgekriegt. Sie sehen, sein Erpressungsversuch hätte ihm nichts eingebracht.“
    Ich nickte zustimmend.
    „Ich möchte Ihnen trotzdem
etwas erklären, Burma“, fuhr er mit belegter Stimme fort. „Es muß Ihnen
seltsam, ja, unanständig Vorkommen, daß ein ehemaliger Oberstaatsanwalt...
Nein, sagen Sie nichts! Ich weiß doch, was die Leute denken. Die Leute, damit
meine ich alle, die nicht im Gefängnis waren... Denn, wie Sie wissen, wurde ich
nach der Befreiung eingesperrt...“
    Ironie des Schicksals!
    „...Als ich wieder rauskam, war
ich ein anderer Mensch...“
    Er räusperte sich. Aber seine
Stimme wurde nicht klarer.
    „...Man nannte mich Monsieur
Rübe-ab! Aber mein Beil war stumpf geworden. Ich sah jetzt das Leben mit
anderen Augen. Ich wußte, daß dieser Gangster, diese gemeingefährliche Ratte,
dieser zum Tode verurteilte Raoul Castellenot, eine Tochter hatte. Ich hab nach
ihr suchen lassen. Hab mich um sie gekümmert, weil niemand sonst sich um sie
gekümmert hat. Und eines Tages... Oh, es war ein wunderschöner Tag...“
    Seine Stimme brach, kicherte,
wurde wieder normal.
    „...Ich war Witwer,
kinderlos... Sie war so was wie meine Adoptivtochter. Offiziell war sie’s
nicht...“
    „Genausowenig wie sie jetzt
Ihre Frau ist. Sie ist also Ihre Geliebte geworden, stimmt’s?“
    „Ja. Von da an habe ich meine
sämtlichen Beziehungen abgebrochen, privat und beruflich. Nur Henriette ist mir
geblieben...“
    Mit einer Geste wischte er
alles zum zweiten Mal weg. Sein Kinn zitterte vor Ergriffenheit.
    „Ich verstehe, Monsieur“, sagte
ich.
    Er brachte mich zur Tür.
    „Die meisten Leute verstehen es
nicht. Leute, die von Barmherzigkeit sprechen, von Wiedergutmachung. Ich wollte
wiedergutmachen, Monsieur Burma, indem ich mich um

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