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Die Ratten im Maeuseberg

Die Ratten im Maeuseberg

Titel: Die Ratten im Maeuseberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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ein
Seufzer im Dunkeln, wo man ganz unten, sehr weit weg, die Grenzen zu einem
geheimnisvollen Geisterreich erahnte.
    Man konnte sich noch so oft
vorsagen, daß dieses Wasser — vorschriftsmäßig gebändigt, kanalisiert — dazu
diente, Gemüse und Kaffee zu kochen oder unzählige Füße zu waschen. Es blieb
dennoch ein erhabener Anblick.
    Schweigend betrachteten wir das
grünliche Wasser. Henriette stand zitternd neben mir. Als ich mich übers
Geländer beugte, um auf den Grund des Bassins zu sehen, ging sie weg. Ich
hörte, wie sie ein paar Worte mit dem Wärter murmelte. Dann hörte ich das
saugende Geräusch seiner Schuhsohlen auf dem feuchten Boden. Wenige Sekunden
später flammte ein weiterer Scheinwerfer auf, weit weg von uns. Daneben sah ich
undeutlich zwei Gestalten. Henriette war ein heller Fleck. Der Mann befriedigte
gestikulierend die Neugier der jungen Frau.
    Ich tippte Gaudebert an.
    „Wir sollten rübergehen“,
flüsterte ich ihm zu.
    „Ja... Aber... Sie werden doch
keine Dummheiten machen, oder?“
    „Wovor haben Sie Angst?“ fragte
ich zurück. „Daß ich die Scheiben der Aquarien kaputtschlage, um an die Perlen
zu kommen?“
    „Na ja... äh... Machen Sie
keine Dummheiten, mehr nicht.“
    „ Ich werd schon keine machen“,
flüsterte ich.
    Wir tasteten uns blind durch
den dunklen feuchten Gang zurück.
    Ständig rutschten wir aus.
Plötzlich unterdrückte Gaude-bert einen Schrei.
    „Was ist?“
    „Nichts. Ich hab die Mauer
abgetastet und...“
    Er keuchte.
    „...plötzlich spürte ich nichts
mehr. Komisches Gefühl...“
    Er verstummte, ließ mich
mutterseelenallein im Dunkeln zurück. Ob ich Schiß hatte, war ihm scheißegal.
    „Wo sind Sie?“ schimpfte ich.
„Verdammt! Nicht der richtige Augenblick, um ins Wasser zu springen!“
    „Aha!“
    Das war Gaudeberts Stimme.
Etwas verändert, weit weg. Ich tastete ebenfalls die Mauer ab, entdeckte die
Öffnung und schlüpfte hinein. Natürlich stieß ich mir dabei die Birne.
Gaudebert mußte hier hineingegangen sein.
    Über eine Wendeltreppe im
Inneren eines Pfeilers gelangte man auf eine schmale Plattform in Höhe des Wasserspiegels.
Auf dieser Plattform stand Gaudebert und betrachtete die grünliche Fläche. Von
hier aus war der Anblick noch überwältigender. Man spürte noch deutlicher die
Feuchtigkeit, die aus der Wassermasse aufstieg.
    „Was machen Sie da?“ fragte
ich.
    „Hab mir die Treppe angesehen“,
antwortete Gaudebert. „Frag mich, wozu die gut ist.“
    Er drückte sich gegen die Wand,
damit ich die Treppe besser sehen konnte. Von der Plattform aus führte sie ins
Wasser. Erinnerte sehr an Atlantis.
    „Sieht aus, als müßten sie manchmal
das Wasser ablassen, um Reparaturen durchzuführen“, sagte ich. „Wasser kann
sehr gewalttätig sein. Sehen Sie, dort... und dort... noch so’ne Treppe...“
    Ich stand jetzt am äußersten
Rand der schmalen Plattform. Ob ihn meine Erklärungen interessierten? Der
Augenblick des Handelns war gekommen. Lieber Gott! Geister der Wasser!
Verspielte Wassernixen! Gebt das Zeichen!
    Bald wär’s mir so ergangen wie
einer Ratte, einer Ratte von Montsouris, die vom Dreckwasser der Kloaken
mitgerissen wird. Ich konnte dem Schlag nicht so ausweichen, wie ich ihm hätte
ausweichen müssen: er traf meine Schulter. Aber die ist weniger empfindlich als
der Kopf. Ein Schlag auf die Schulter schickt dich nicht in ein Bassin, das nur
darauf wartet, dich mit seinen kalten Wassermassen wie mit einem Leichentuch zu
bedecken. Trotzdem, ich verlor das Gleichgewicht und rutschte mit dem rechten
Bein bis ans Knie ins Wasser. In Meaux-Trilport ist das weit angenehmer;
außerdem laufen da schöne Mädchen rum. Ich sah zu, daß ich wieder auf die Beine
kam, klammerte mich an die unebene Mauer. Damit mein nasses Bein wieder gut
durchblutet wurde, trat ich nach vorne... vor Gaudeberts Schienbein.
    „Jetzt bist du reif“, rief ich.
„Du hast es so gewollt, Richter!“
    Das Wort „Richter“ wurde durch
das Echo von Pfeiler zu Pfeiler getragen. Wie ein Kieselstein hüpfte es über
die glatte Wasserfläche, vielleicht bis zu den Katakomben, wo so mancher in
Frieden ruhte, den abgeschlagenen Kopf zwischen den Beinen.
     
    * * *
     
    Gelächter rollte von Gewölbe zu
Gewölbe, zuerst kristallklar, leise und frisch wie ein Aprilmorgen, dann nur
noch widerlich, voller befriedigtem Haß, an den Grenzen des Wahnsinns. Ihr
Vater war vielleicht nach vielen Nacken- und Schicksalsschlägen verrückt
worden. Aber die

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