Die Ratten im Maeuseberg
vielleicht haben die bei Gaudebert
eingebrochen, um zusätzliche Informationen zu kriegen. Die Verwandtschaft
zwischen Castellenot und Madame Gaudebert war ja ziemlich bekannt...“
Ich lachte.
„...Und Ferrand hat gedacht, er
hätte die Entdeckung seines Lebens gemacht!“
19.
Die Mausefalle am grünen Wasser
Armand Gaudebert musterte mich
überrascht und mißtrauisch. Auch wenn er das Gegenteil behauptete, er lebte in
ständiger Angst vor Erpressern. Vergaß sogar sein gequältes Lächeln. Um seine
Laune zu heben, sagte ich:
„Ich bin nicht gekommen, um
Geld von Ihnen zu verlangen, sondern um Ihnen welches zu bringen. Wissen Sie,
ich habe eine Schwäche: ich muß immer herumschnüffeln. Es ist stärker als ich.
Na ja, und dabei hab ich rausgefunden, daß Sie nicht grade vermögend sind.
Deshalb will ich Ihnen einen Vorschlag machen, der Ihnen mehrere Millionen
einbringt. Und entschuldigen Sie, wenn ich mit der Tür gleich ins Haus falle.“
Zuerst hatte er mich streng angesehen, nach dem Motto ,Was geht Sie das an!’. Aber bei den mehreren Millionen fuhr er hoch.
„Mehrere... was?“
„Millionen.“
Ungläubig schüttelte er den
Kopf.
„Das versteh ich nicht. Warum
behalten Sie die Millionen nicht selbst? Falls es überhaupt welche gibt...
Warum wollen Sie sie mir geben?“
„Ganz offen: ich kann nicht
anders. Ich gehöre keiner Gesellschaft zur Unterstützung ehemaliger
Oberstaatsanwälte an. Aber ich brauche Ihre Hilfe. Genauer gesagt: die Ihrer
Frau.“
„Das versteh ich nicht“, sagte
er wieder.
„Werd’s Ihnen erklären. Wir
wollen das Kind beim Namen nennen. Angst vor Wörtern haben wir doch beide
nicht, oder? Sie wissen, daß Henriettes Vater 1939 bei Lascève wertvolle Perlen
geklaut hat. Sie wissen auch, daß es dabei zwei Tote gegeben hat. Sie als
Oberstaatsanwalt haben den Kopf des Raubmörders gefordert. Aber den haben Sie
nicht bekommen. Zum Glück: sonst wär Ihre Ehe völlig unerträglich. Castellenot,
Ihr Schwiegervater, hat danach abenteuerliche Jahre durchgemacht und ist
langsam aber sicher verrückt geworden. Jetzt dämmert er in Sainte-Anne vor sich
hin.“
„Das ist mir bekannt“, sagte
Gaudebert.
„Dann ist Ihnen sicher auch
bekannt, daß die Perlen sich nie wiedergefunden haben. Castellenot hat sie gut
versteckt.“
„Sollten Sie sie vielleicht
wiedergefunden haben?“ fragte er interessiert.
„Nein, aber Sie sollen mir
dabei helfen.“
„Sie sind spät dran, Burma. Wir
haben auch schon nach den Perlen gesucht, aber nichts gefunden. Ich hätte sie
gerne den Eigentümern zurückgegeben, um seine Tochter und ihn zu
rehabilitieren. Aber wir haben leider nichts gefunden.“
„Vielleicht habe ich Hinweise,
die Sie nicht hatten. Ich bin Schnüffler, wie gesagt.“
Schweigend sah er aus dem
Fenster in den Parc Montsouris. Auf seinem Billardkugelkopf standen
Schweißperlen.
„Was für Hinweise?“ fragte er
schließlich.
Er wandte sich weniger an
Nestor Burma als an die Bäume im Park. Also konnte ich ausweichend antworten:
„Bitten Sie Ihre Frau, in ihren
Kindheitserinnerungen zu kramen. Die unwichtigsten Kleinigkeiten könnten mir
vielleicht Horizonte eröffnen.“
Er drehte sich wieder zu mir.
„Welches Ziel verfolgen Sie,
Burma?“ fragte er väterlich. „Sie wollen sich die Perlen doch wohl nicht unter
den Nagel reißen, nehme ich an? Und dazu noch mit meiner Hilfe...“
„Es ist eine Prämie
ausgesetzt“, sagte ich.
Er zog seine buschigen
Augenbrauen hoch.
„Stimmt.“
Langsam stand er auf.
„Warten Sie einen Moment. Ich
werde Henriette fragen.“
Kurz darauf kam er mit seiner
Frau zurück. Sie lächelte. Ihre Augen leuchteten, wie gewöhnlich. Die junge
Frau schien mir wegen meines Benehmens neulich nicht mehr böse zu sein. Wir gaben
uns die Hand.
„Sie sehen, ich kümmere mich
immer noch um Dinge, die mich nichts angehen“, sagte ich lächelnd.
„Ganz und gar nicht“, sagte sie
charmant. „Im Gegenteil. Wir sind froh, daß Sie sich einmischen. Hoffentlich
haben Sie Erfolg. Die Rückgabe der Perlen würde einen Teil der Vergangenheit
auslöschen. Und wenn ich Ihnen behilflich sein kann...“
Konnte sie nicht. Damals war
sie noch zu klein gewesen, um was mitzukriegen. Jedenfalls erinnerte sie sich
an nichts. Sie sprach lange — die Erregung in ihrer Stimme war echt; jetzt war
sie nicht mehr die elegantkokette junge Frau, sondern eine seltsame Mischung
aus kleinem Mädchen und reifer Frau — sie sprach lange über ihren
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