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Die Ratten im Maeuseberg

Die Ratten im Maeuseberg

Titel: Die Ratten im Maeuseberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Léo Malet
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Anlage dazu mußte schon vorhanden gewesen sein... und sich bei
ihr wiederfinden.
    „Hören Sie, Richter?“ rief ich.
„Hören Sie, wie sie sich lustig macht über Sie? Sie hat Sie nach Strich und
Faden verarscht.“
    Als Antwort war nur das
Gelächter zu hören, das jetzt alles übertönte.
    Langsam stieg ich die
Wendeltreppe hoch zu dem dunklen Gang. Vorsichtig, die Kanone in der Hand,
tastete ich mich vorwärts. Hin und wieder stieß ich eine Beleidigung aus.
    Nichts. Nichts als das
schwachsinnige Lachen des kleinen Mädchens, das ihren Papa heiß und innig
liebte, das geschworen hatte, ihn zu rächen, das den Oberstaatsanwalt gesucht
und gefunden hatte, der Papas Kopf gefordert hatte. Die hübsche junge Frau
konnte ihn mühelos auf ihrem Bett kreuzigen, wie in einer Gruft voller giftiger
Gerüche. Sie konnte lachen. Zuerst hatte sie ihn ruiniert, dann seinen
Untergang besiegelt. Sie hatte aus ihm einen Verbrecher gemacht, einen
Bandenchef, einen armen Irren, einen dieser erbärmlichen Blödmänner, die vor
seiner roten Robe niemals Gnade gefunden hatten. Sie konnte lachen. Ein
ausgezeichneter Witz! Ihr Vater in seiner Gummizelle würde niemals was
erfahren. Und selbst wenn man’s ihm erzählte, würde sein verwirrtes Hirn es
nicht begreifen. Irgendwie schade.
    „Richter!“ rief ich wieder.
„Schluß mit dem Versteckspiel! Worauf spekulieren Sie? Sie kommen hier sowieso
nur raus, um in den Knast zu wandern. Ihr Spiel ist aus!“
    Nichts. Stille. Sogar das
Lachen war verstummt. Ich ging noch ein paar Schritte, bis zum Ende der Mauer.
Das Wasser war immer noch klar, glatt und kühl. Wie das Nichts. Ich fuhr herum.
Jemand kam durch den dunklen Gang auf mich zu. Eine sanfte, einschmeichelnde
Stimme sagte:
    „Bravo, Monsieur Burma! Sie
haben gute Arbeit geleistet. Aber mir wär’s lieber gewesen, er hätte Sie
getötet. Niemals hätte er sich aus der Affäre ziehen können Sie trat aus der
undurchdringlichen Dunkelheit auf mich zu, weiß wie ein Gespenst. Unter Ihrer
halb aufgeknöpften Bluse atmete es heftig. Ihre goldbraunen Augen glänzten
seltsam. Die roten Haare sträubten sich. Und die sinnlichen Lippen schienen
einen Kuß zu begehren.
    „Er wird sich auch so nicht aus
der Affäre ziehen können“, sagte ich. „Und Sie sich auch nicht.“
    „Ach, mir ist das doch
scheißegal!“ antwortete sie in ordinärem Ton.
    „Was haben Sie übrigens mit unserem
Führer gemacht?“ fragte ich.
    Sie antwortete, als wär’s das
Normalste der Welt:
    „Ich hab ihm eins mit seiner Laterne verpaßt.“
    Und lächelte!
    Irgendwo in der Dunkelheit
stöhnte eine schwere Eisentür in der Angel. An der Stelle, von der das Geräusch
kam, sah ich schwaches Licht. Ich stürzte darauf zu, das Mädchen im Schlepptau.
Langsam schob ich die schwere Eisentür auf.
    Zwei schwache Glühbirnen
brannten an der hohen Decke des großen Raumes, der nach überflutetem Keller
roch. Eine Eisentreppe mit rutschfest geriffelten Stufen führte zu riesigen
Rohren, die in einem Tunnel verschwanden. Von hier aus machte sich das
Trinkwasser auf den Weg in die Wasserhähne der Verbraucher. Aus schadhaften
Dichtungen tropfte Wasser in kleine Pfützen.
    Ich stieg die nasse Treppe
hinunter, hielt mich an dem kalten Geländer fest. Dann folgte ich dem dicksten
Rohr.
    Er hatte versucht, sich durch
die Abwasserkanäle aus dem Staub zu machen. Aber so einfach ist das nicht. Die
Spalten, durch die man in die Kanäle gelangen kann, sind nicht immer breit
genug.
    Er kauerte in einer Ecke, in
die Enge getrieben. Obwohl ich auf alles gefaßt war, überraschte mich sein
Angriff. Keuchend stürzte er sich auf mich, klammerte sich fest. Sein
stinkender Atem blies mir ins Gesicht. Wir rollten über den Boden. Er verpaßte
mir noch eins mit dem Knüppel, den er eben schon benutzt hatte. Auch diesmal
konnte ich mehr oder weniger geschickt ausweichen. Dann machte er sich los und
rannte — schneller, als ich es vermutet hatte — zur Eisentreppe, stieg pre stissimo nach oben. Dort wartete Henriette auf ihn, gegen die Tür gelehnt. Aber so weit
kam er nicht. Die Treppe war eine richtige Rutschbahn. Gaudebert setzte sich
auf den fetten Arsch, kam aber mit verblüffender Schnelligkeit wieder auf die
Beine. Aber jetzt wurde er von der jungen Frau gebremst. Mit dem hohen spitzen
Absatz trat sie ihm mit voller Wucht in die Fresse. Zum zweiten Mal fiel der
Oberstaatsanwalt hin.
    Er heulte auf, dann knurrte er
wie ein verendendes Tier. Er lag auf dem Rücken, reglos, ein

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