Die Ratten
sich an seine Kleidung und seine Haut klammerten. Er stürzte und schlug sich an der scharfen Kante einer Stufe den Nasenrücken auf. Blut lief über sein Gesicht und auf den Kragen seines weißen Hemds.
Dave trat um sich und schrie. Die Ratten zerrten ihn die Treppe hinab, rollten mit ihm bis zum Fuß der Treppe, zerfetzten seinen Körper und schüttelten ihn dabei, als wäre er eine Spielzeugpuppe. Seine Schreie hallten durch die alte U-Bahn-Station. Er bäumte sich auf, und bevor er das Bewußtsein verlor, schrie er nach seiner Mutter.
Errol Johnson öffnete die Tür mit der Aufschrift >Private< und eilte hinaus. Er hatte die Schreie gehört und nahm an, daß jemand die lange Treppe hinunter auf den Bahnsteig gestürzt war. Er hatte immer gewußt, daß es eines Tages passieren würde - diese Treppe war zu schlecht beleuchtet. Wenn er jemals Stationsvorsteher werden würde, wenn Farbige jemals Stationsvorsteher würden, dann würde er hier aufräumen und eine anständige Station daraus machen. Sie wurde zwar nur von wenigen Leuten benutzt, aber das bedeutete nicht, daß man sie vergammeln lassen mußte.
Errol blieb stehen, als wäre er gegen eine unsichtbare Wand geprallt, und starrte fassungslos auf den Anblick, der sich ihm bot.
Auf dem Bahnsteig und der Treppe wimmelte es von Ratten. Es mußten Millionen sein, so kam es ihm jedenfalls vor. Und es waren große, wie er sie in seiner Heimat gesehen hatte, sogar noch größere. Er rannte, ohne sich umzuschauen. Es gab nur einen Fluchtweg für ihn, denn der Weg zur Treppe war von der Masse wimmelnder Ratten abgeschnitten. Ohne Zögern sprang er auf die Schienen hinab und hetzte in den dunklen Schlund des Tunnels. Seine Angst und Panik trieben ihn genau auf die nahende U-Bahn zu, in den gnädigen Tod, bevor er überhaupt erkannte, was geschah.
Der Fahrer bremste natürlich, und die wenigen Fahrgäste riß es von den Plätzen. Als die U-Bahn mit schrill kreischenden Rädern aus dem Tunnel auftauchte und der Fahrer die Ratten sah, reagierte er instinktiv und rettete so das Leben seiner Passagiere und sein eigenes. Er löste die Bremse und fuhr weiter.
Die Ratten verharrten und starrten auf das riesige, störende Monster. Diejenigen unter den Gleisen duckten sich tief, als es über sie hinwegrollte, und erstarrten beim Kreischen der Räder.
Die Passagiere starrten von Grauen gepackt durch die Fenster und fragten sich, ob die U-Bahn den Weg hinab in die Gänge der Hölle gefunden hatte. Einer der Passagiere zuckte zurück, als ein dunkler, pelziger Körper auf ihn zuschnellte, vom Fenster abprallte und auf den Bahnsteig zurückfiel. Als die U-Bahn schneller wurde, sprangen weitere Ratten an die Fenster. Einige fielen zwischen die Bahn und den Bahnsteig und wurden von den Rädern zerschnitten. Eine Ratte brach durch das Fenster eines Wagens und griff sofort den einzigen Passagier an. Der Mann war kräftig und schaffte es, die rasende Kreatur von seiner Kehle zu ziehen. Die Ratte riß mit Zähnen und Klauen an seinen Händen, und er schrie vor Schmerz auf, doch er hielt immer noch ihren Nacken und Körper fest. Sein Entsetzen gab ihm zusätzliche Kraft und Schnelligkeit. Er schleuderte die Ratte zu Boden, stampfte mit den schweren Arbeitsschuhen auf den Kopf und trat ihr den Schädel ein. Er hob das tote Tier auf, staunte über die Größe und warf es durch das Fenster, dessen Scheibe geborsten war, in den schwarzen Tunnel, durch den die U-Bahn jetzt fuhr. Dann sank der Mann auf seinen Sitzplatz, und der Schock breitete sich in ihm aus. Der Mann wußte nicht, daß er binnen 24 Stunden tot sein würde.
Der Stationsvorsteher verschluckte sich an seinem Tee, als er Schreie von der Treppe her hörte. Er hustete und versuchte, zu Atem zu kommen. Nur kein weiterer Krawall! Warum zog diese U-Bahn-Station an Wochenenden stets Rodys an? Besonders Samstagnachts. In U-Bahn-Stationen gab es Samstagnachts immer Probleme mit Halbstarken und Betrunkenen, aber die Sonntage waren für gewöhnlich nicht so schlimm. Er hoffte, daß dieser blöde Affe Errol nicht darin verwickelt war. Immer mußte der Kerl sich einmischen. Ständig machte er Vorschläge, wie die Station geführt werden sollte. Er half Besoffenen, anstatt sie rauszuschmeißen. Für wen hielt sich der Kerl - für einen Samariter?
Shadwell gefiel dem Stationsvorsteher. Auf dieser Station war im Vergleich zu den meisten anderen wenig los, und das war ihm nur recht. Natürlich war Shadwell drek-kig, aber was konnte man von
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