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Die Ratten

Die Ratten

Titel: Die Ratten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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einem solch alten Loch erwarten? Jedenfalls half der Dreck auch, die Leute fernzuhalten.
    Als der Stationsvorsteher den Hustenanfall überwunden hatte, zog er sein Jackett an und verließ den Fahrkartenschalter. Ohne Eile schlenderte er zum oberen Absatz der Treppe, die zu Bahnsteig 1 hinabführte.
    »Was ist da unten los?« schrie er und spähte angestrengt hinab, um bei der schwachen Beleuchtung etwas zu erkennen. Er hörte einen Schrei, der wie >Mama< klang, und sah den Umriß einer Gestalt, die um sich schlug. Vorsichtig ging er ein paar Stufen hinab und verharrte. »Hey, wer ist das?«
    Der schwarze Umriß schien sich in kleine Schatten aufzulösen, die sich die Treppe hinauf zu ihn zu bewegten. Er hörte unten einen U-Bahn-Zug kreischend bremsen und dann aus irgendeinem unbekannten Grund beschleunigen und durch die Station weiterfahren, ohne zu halten. Dann nahm er quiekende Laute wahr, wie von Hunderten Mäusen. Er erkannte, daß die Tiere die Treppe hinauf auf ihn zu kamen. Nicht Mäuse - Ratten. Schrecklich große Ratten. Schwarz und häßlich.
    Der Stationsvorsteher bewegte sich für einen Mann mit seiner Leibesfülle überraschend schnell. Mit zwei langen Sätzen sprang er die Treppen hinauf, die er zuvor hinabgestiegen war, hetzte in den Fahrkahrtenschalter und knallte die Tür hinter sich zu. Er lehnte sich ein paar Sekunden lang mit dem Rücken gegen die Tür, rang um Atem und wartete, daß sich sein rasender Puls etwas normalisierte.
    Dann ging er zum Telefon und wählte mit zitternden Fingern den Notruf.
    »Polizei? Schnell! Polizei? Hier ist die Shadwell-U-Bahn-Station. Stationsvorsteher Green...« Er blickte auf, als er ein schabendes Geräusch hörte. Durch das Fenster des Fahrkahrtenschalters starrte ihn eine riesige, schwarze Ratte an.
    Er ließ den Telefonhörer fallen und rannte nach hinten ins Büro. Die Fenster waren vergittert, und es gab keinen Fluchtweg. Er schaute sich verzweifelt um, und seine massige Gestalt zitterte vor Furcht. Sein Blick fiel auf den Wandschrank, in dem Besen und Eimer für die Putzkolonne aufbewahrt wurden. Er zog die Schranktür auf, zwängte sich in den Schrank und schloß die Tür hinter sich. Geduckt kauerte er in dem Schrank, wimmerte in der Dunkelheit, wagte kaum zu atmen und machte sich vor Angst in die Hosen. Dieser Schrei! Entweder hatte Errol geschrien oder jemand, der auf die U-Bahn gewartet hatte. Die Ratten hatten ihn erwischt, und jetzt kamen sie zu ihm! Der Fahrer der U-Bahn hatte nicht angehalten. Er hatte die Ratten gesehen und war weitergefahren. Und niemand sonst war in der Station. Mutter Gottes, was war das? Nagen. Scharren. Kratzen. Sie waren im Büro. Sie versuchten, sich einen Weg durch die Schranktür zu fressen!

10
    Halb neun. Hauptverkehrszeit am Montagmorgen. Die Passagiere in der U-Bahn lasen ihre Morgenzeitung oder andere Lektüre, schliefen oder dösten, plauderten oder dachten, standen oder saßen. Einige lachten sogar gelegentlich. Buchhalter standen Schulter an Schulter mit Finanzdirektoren; Stenotypistinnen mit Fotomodellen; Frauen, die in den Büros für die Angestellten Tee zubereiteten mit leitenden Angestellten; Angestellte in der Registratur mit Progammierern; Schwarz mit Weiß. Männer schauten kühn oder heimlich auf die Beine der Mädchen. Die Mädchen starrten zurück oder gaben vor, es nicht zu bemerken. Die Gedanken beschäftigten sich mit der kommenden Woche; andere dachten an das vergangene Wochenende. Einige dachten überhaupt nichts.
    Jenny Cooper saß da und las die Ratgeberseite einer Frauenzeitschrift. Gelegentlich lächelte sie über die albernen Situationen, in die sich anscheinend einige Mädchen hineinmanövrierten. Sie schmunzelte auch über die Ratschläge zur Lösung der Probleme. Während sie weiterblätterte, ohne sich wirklich für die Artikel und Anzeigen zu interessieren, dachte sie an die vergangene Samstagnacht und die Party, die sie besucht hatte. Sie konnte es kaum erwarten, zur Firma zu kommen und ihren Freundinnen von dem tollen Jungen zu erzählen, der sie nach Hause gebracht hatte - besonders Marion, die immer mit ihren vielen Männerbekanntschaften angab. Jenny hielt sich selbst für ein wenig hausbacken. Ihre Augen waren zu klein und zu dicht beieinander, und ihre Nase war eine Spur zu groß. Die Beine waren jedoch gut: lang, nicht zu dünn und nicht zu dick. Ihr Haar sah stets hübsch aus.
    Schöne Locken, weich und kastanienfarben. Und ihr Gesicht war trotz der kleinen Mängel ziemlich

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