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Die Ratten

Die Ratten

Titel: Die Ratten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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war stärker geworden. »Es ist draußen jetzt sicher - Sie werden es sehen.« Henry zog sie mit sanfter Gewalt auf die Füße, und Violet half ihm. »Wenn wir aussteigen, schauen Sie sich nicht um«, sagte Henry. »Halten Sie sich beide nur an mich, und blicken Sie geradeaus. Und bitte vertrauen Sie mir.«
    Vorsichtig öffnete er die Tür und leuchtete mit der Taschenlampe in den Tunnel, obwohl er das Licht jetzt kaum noch brauchte, weil der Schein des Feuers irgendwo hinten an der Bahn ausreichte. So weit er blicken konnte, lagen Gestalten verstreut herum, einige bewegten sich noch, ein paar krochen den Tunnel hinauf, die anderen regten sich nicht. Er glaubte, kleine Schatten zwischen ihnen huschen zu sehen, aber er war sich nicht sicher, ob sie tatsächlich da waren, oder ob er sich im flackernden, rötlichen Feuerschein täuschte.
    »Kommen Sie, meine Damen. Denken Sie an das, was ich gesagt habe, und schauen Sie nur geradeaus. Wir dürfen uns von nichts und niemandem aufhalten lassen.« Normalerweise war er ein barmherziger Mann, aber er wußte, daß es tödlich wäre, wenn er versuchen würde, irgendwelchen Verletzten zu helfen. Sie mußten später geborgen werden.
    Henry kletterte hinab und half dem Mädchen aus der Bahn, das vor Furcht zitterte. Er sprach sanft mit Jenny, redete ihr gut zu, versuchte sie zu beruhigen. Violet lächelte zu ihm hinab. Sie hatte Angst, aber sie gab ihr Leben in die Hände dieses freundlichen, kleinen Mannes. Sie gingen los und duckten sich, um den Rauchschwaden über ihnen zu entgehen. Henry übernahm die Führung, das Mädchen folgte, mit dem Blick auf seinen Rücken gerichtet, und Violet ging dicht hinter Jenny und hielt die Arme um sie.
    Sie stolperten vorwärts und versuchten, das Stöhnen der Verletzten und die schwachen Hilferufe zu ignorieren. Henry spürte, daß sich eine schwache Hand an sein Hosenbein klammerte, bei seinem nächsten Schritt jedoch hinabsank. Er wußte, daß er nicht anhalten konnte; das Leben der Frau und des Mädchens stand auf dem Spiel. Er würde mit der Rettungsmannschaft zurückkehren. Jetzt war es seine Pflicht, die beiden Frauen und sich in Sicherheit zu bringen und die Leute auf der nächsten Station zu warnen.
    Henry hörte Quieken und spürte etwas Weiches, das sich unter seinem Fuß wand. Er leuchtete mit der Taschenlampe hin und entdeckte eine Ratte, die zu ihm emporstarrte. Ringsum waren andere Ratten, doch sie unterschieden sich von den anderen, die er gesehen hatte. Sie waren kleiner. Normal. Scheußlich - aber normal. Er trat nach der Ratte, und sie machte sich davon, während eine andere auf Henry zusprang und ihm ins Hosenbein biß.
    Zum Glück zerriß sie nur den Stoff, und er konnte schnell sein Bein gegen die Tunnelwand pressen, so daß die Ratte loslassen mußte und zu Boden fiel. Er stampfte mit dem Fuß auf die Ratte und hörte das Brechen von kleinen Knochen.
    Jenny schrie.
    »Alles in Ordnung, alles in Ordnung«, sagte er hastig. »Das sind ganz gewöhnliche Ratten. Sie sind gefährlich, aber nichts im Vergleich zu den großen. Sie haben vermutlich mehr Angst vor uns als wir vor ihnen.«
    Trotz ihrer Furcht stieg in Violet Bewunderung für den kleinen Mann auf. Sie hatte in der Bahn kaum Notiz von ihm genommen. Natürlich. Er war der Typ, dem man keine Beachtung schenkt. Nur ein Gesicht. Der Typ Mann, über den man keine Vermutungen anstellt - der einfach kein Interesse weckt. Aber jetzt, hier unten in diesem schrecklichen Tunnel, stellte sich heraus, wie tapfer er war. Er rettete sie vor diesem Blutbad. Sie und das Mädchen, natürlich. Aber wie mutig und bewundernswert!
    Als Henry die Ratte getötet hatte, war Jenny gezwungen gewesen, sich umzusehen. Bei dem Anblick mußte sie sich übergeben. Sie sank gegen die Tunnelwand und wurde nur noch von der Frau hinter ihr aufrecht gehalten. Warum ließ der Mann sie nicht in die Bahn zurückkehren, wo sie sicher gewesen waren? Sie wollte zurückwanken, doch Henry hielt sie am Arm fest. »In diese Richtung, meine Liebe. Es dauert nicht mehr lange.«
    Während sie weitertaumelten, sahen sie Ratten, die an den Leichen von Männern und Frauen fraßen - Leuten, die auf dem Weg zur Arbeit gewesen waren, deren Gedanken an diesem Montagmorgen mit kleinen Sorgen und kleinen Freuden beschäftigt gewesen waren und die nie damit gerechnet hatten, an diesem Tag zu sterben oder irgendwann auf so grauenvolle Weise zu enden. Die drei gingen weiter, husteten im Rauch, und dann und wann stolperte und

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