Die Rattenhexe
Seminarleiterin sind Sie einfach unvergeßlich. Super, kann ich nur sagen.«
Diesmal war sie sprachlos. Als ich dann noch zum Abschied ihre blasse Wange tätschelte, schnappte sie nach Luft. Ich ging auf den Ausgang zu, drehte mich dort noch einmal um und sah die Frau mit dem Doppelnamen noch auf derselben Stelle stehen. Sprachlos und mit offenem Mund.
Puh, das war geschafft.
Die Dunkelheit hatte sich noch nicht völlig ausbreiten können. Aber die Dämmerung lag bereits am Himmel und umschloß die Landschaft mit ihrem ersten Grau.
Der Weg zum Eingang hin wurde durch Laternen markiert. Kugelige Monde auf langen Stäben. Gelbliches Licht ließ Schatten entstehen, und meine Laune war um einige Grade gestiegen. Dieses Hotel lag hinter mir. Dieser Mief und Muff ebenfalls. Ich beschloß, einen Bericht zu erstellen, in dem ich darum bat, mich nicht mehr zu solchen Seminaren zu schicken. Das brachte im Endeffekt gar nichts.
Die Fahrzeuge der Teilnehmer standen auf dem Hotelparkplatz. Ich war mit dem Rover gekommen und hatte ihn direkt an der Ausfahrt geparkt, wo er auch noch stand. Die Reisetasche warf ich auf den Rücksitz, stieg ein und gönnte dem Hotelbau noch einen letzten Blick.
»Auf Nimmerwiedersehen«, murmelte ich, bevor ich den Zündschlüssel umdrehte. Auch das Radio ging an, und ich dachte darüber nach, daß gut zweihundert Kilometer Fahrt vor mir lagen. Vielleicht würde ich noch vor Mitternacht London erreicht haben.
Bis zur Autobahn würde es dauern. Der Weg führte quer durch die flache Landschaft. Einsamkeit und viel Gegend begleiteten mich. Durch das offene Fenster war die Natur zu riechen. Besonders freute ich mich über den Geruch des frisch gemähten Grases. Er erinnerte mich immer an den Urlaub in den Bergen.
Im Radio dudelte die Musik. Hin und wieder von einem Sprecher unterbrochen, der irgendwelche Leute interviewte, die sich selbst für besonders wichtig hielten, so daß ich gar nicht hinhörte.
Mir gefiel die Fahrt. Ich fühlte mich auch fit, da ich in den letzten Stunden abgeschaltet hatte. Dabei überlegte ich, ob ich wirklich die Autobahn nehmen sollte oder nicht lieber über Land fuhr. Ich verschob die Entscheidung und fuhr an der ersten Auffahrt vorbei.
Im Hotel würde es jetzt ein Essen geben. Das am Abend zuvor hatte mir schon nicht geschmeckt, und es würde an diesem Abend wohl kaum besser werden. Da war mir ein Hamburger schon lieber.
Ich war ziemlich locker während der Fahrt. Meine Gedanken strahlten schon nach vorn. Etwas Wichtiges lag sicherlich nicht an, dann hätte man mich schon angerufen. Ich würde mich also auf einen ruhigen Tag gefaßt machen können.
Der Himmel dunkelte immer mehr zu, als hätte jemand einen riesigen Reißverschluß geschlossen. Manchmal fuhr ich an Bauernhöfen vorbei, dann wieder an dunklen Scheunen, oder ich rollte durch kleine Orte, deren Namen ich noch nie zuvor gehört hatte.
Meine gute Laune verschwand allerdings, als ich einen Blick auf den Tankanzeiger warf.
Da durchzuckte mich der heiße Schreck.
Ich mußte tanken, wenn ich nicht gleich auf freiem Gelände eine Zwangspause einlegen wollte. Damit wäre meine gute Laune verschwunden.
Ich kam mir vor wie ein Jäger, der seine Beute suchte. Wo gab es die nächste Station?
Zu sehen war natürlich nichts. Auch eine Ortschaft befand sich nicht in der Nähe. Die Straße vor mir sah ich als graues Band, das sich in Richtung Süden schlängelte, hin und wieder Kurven bildete, wobei ein Ende nicht zu sehen war. Ein kleiner Ort lag an der rechten Seite der Straße. Ich hatte das Schild gesehen, den Namen aber nicht lesen können. Dort wollte ich es versuchen.
Über einen schmalen Weg wühlten sich die Reifen. Ein paar ferne Lichter gaben mir schon Hoffnung, und so fuhr ich auf das Dorf zu, in der Hoffnung, eine Tankstelle zu finden.
Ich sah keine. Dafür dunkle Häuser und nur wenige Menschen auf der Straße. Einen jungen Mann, der besorgt zum Himmel schaute, sprach ich an.
»Tankstelle?« fragte er.
»Ja, das wäre super.«
»Da müssen Sie noch fahren.«
»Wohin?«
»Aus dem Kaff raus. Hinter der Rechtskurve finden Sie die Tankstelle.«
Meine nächste Frage war sehr wichtig, und ich stellte sie mit leicht vibrierender Stimme. »Ist die auch offen?«
»Hä? Das weiß ich nicht.«
»Wieso?«
»Mal ja, mal nein. Kommt ganz auf die Form des Besitzers an. Das ist keine richtige Tankstelle, sondern mehr ein Laden für Autoersatzteile. Benzin können Sie dort aber auch kaufen. Wenn der
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