Die Rattenhexe
zurück.
Nur als Shao mit dem Vorschlag herausrückte, uns begleiten zu wollen, verzog er das Gesicht. »Was hast du dagegen, Suko?«
»Die Sache kann gefährlich werden.«
»Das weiß ich selbst. Du hast allerdings auch erlebt, wie ich mich wehre.«
»Früher, als du noch direkt in den Diensten der Sonnengöttin gestanden hast.«
»Wir werden als Paar weniger auffallen. Das steht auch fest.«
Suko räusperte sich. Dann schaute er mich an. »Was ist deine Meinung dazu, John?«
»Meinetwegen kann Shao mitgehen. Es ist durchaus möglich, daß der Killer sie nicht richtig erkannt hat.«
Er überlegte nicht lange. »Dann werden wir es so machen. Was ist mit der Waffe?«
»Die packe ich ein und bringe sie morgen zur Untersuchung. Es eilt nicht so.«
»Wann fahren wir dann?«
»Also, ich fahre allein. Ihr könnt später kommen. Natürlich kennen wir uns nicht.«
»Sehr gut.«
»Und ich freue mich schon auf den Auftritt meiner neuen Bekannten. Wenn mich nicht alles täuscht, wird sie so etwas wie ein Star in der Blue Bar sein.«
»Ja«, stimmte Suko zu. »Der Rattenstar. Oder die Rattenhexe…«
BLUE BAR!
Es war die blaue Leuchtreklame, die ins Auge fiel und in gewissen Intervallen immer aufzuckte, so daß die graue Hausfassade einen entsprechenden Schimmer bekam.
Ich mußte zugeben, daß es wirklich nicht die richtige Zeit war, eine Bar zu besuchen, denn es würde noch etwas dauern, bis sich die Dunkelheit einfand. Aber wir hatten Abend, und das wußten auch zahlreiche andere Menschen, die unterwegs waren, um sich zu amüsieren, wobei sie auch nicht an der Blue Bar vorbeigingen, sondern stehenblieben und sich die Auslagen anschauten.
Zu den modernen Bars gehörte sie nicht. Auch das Haus, in dem sie sich befand, gehörte zu den älteren Semestern. Da gab es keine schmucke Fassade, es tauchte alles Grau in Grau unter, und nur das Licht gab ihr einen falschen Schein.
Schaukästen hingen zu beiden Seiten der Tür. Sie zeigten keine Fotos, dafür las ich den Text, der schräg und mit allmählich verblaßter Schrift in blauen Buchstaben auf das Papier geschrieben worden war.
ERLEBEN SIE SENTA, DIE RATTENHEXE! GENIESSEN SIE EINEN BESONDEREN KICK! VERBUNDEN MIT EINEM SCHAUER, DEN SIE NIE VERGESSEN! SEHEN SIE SENTA UND IHRE RATTEN!
Das also war es.
Senta war der Star. Sie war diejenige, die hier die Gäste anlocken sollte.
Man konnte den Text auffassen, wie man wollte. Für mich war er so etwas wie eine Bestätigung, für weitere Zuschauer weniger, denn diejenigen, die den Kasten umstanden, unterhielten sich so laut, daß ich sie verstehen konnte.
Und nicht alle waren davon angetan, eine Frau zusammen mit ihren Ratten zu erleben.
»Laufen die denn frei herum?« fragte eine Frau, die ein grünes Kostüm trug.
»Keine Ahnung«, erwiderte ihr Mann.
»Das will ich nicht sehen – komm! Das ist eine Schweinerei. Ratten – wo gibt es denn so etwas.« Sie zog ihr Ehegespons herum und ging mit ihm weg.
Ästhetisch war das sicherlich nicht, das gab auch ich zu. Aber um Gäste zu holen, brauchte man den Kick. In dieser Gesellschaft gab es sehr viele und auch preiswerte Ablenkungen, da mußte man den Leuten schon Gründe für einen derartigen Barbesuch liefern, der sicherlich nicht preiswert war.
Die Bar selbst befand sich in einer Gegend, in der wenig vom großen Londoner Verkehr zu spüren war. Das Viertel war teilweise renoviert worden. Man hatte die alten Häuser abgerissen, neue gebaut oder einfach nur für frische Grünflächen gesorgt.
Ich betrat die Bar noch nicht. Dafür schaute ich mir ihre Umgebung an.
Ich wollte auch sehen, wie es hinter dem Haus aussah. An einer schmalen Kreuzung stoppte ich. Ein Pavillon war dort aufgebaut worden.
Die Gäste konnten sich mit Fast Food versorgen. Fisch and Chips gingen weg wie warme Semmeln.
Hinter dem zumeist gläsernen Pavillon standen noch Bänke und Tische.
An ihnen saßen die Menschen und aßen. Nicht weit entfernt sah ich die Abfallkörbe, und ich dachte wieder an die Ratten, die hier ideale Nahrung finden konnten.
Zu sehen war keine. Ich betrat eine schmale Straße, die nur für den Anlieferverkehr freigegeben war. Hier hatte man neue Häuser gebaut.
Klein und nett anzusehen. In den meisten befanden sich Geschäfte.
Winzige Läden oft, aber auch ein Pub und ein Café konnten besucht werden.
Es sah beinahe so aus wie an einigen Stellen in Amsterdam. Fehlten nur noch die Grachten. Die Rückseite des Hauses, das mich interessierte, war nicht zu sehen.
Weitere Kostenlose Bücher