Die Rattenhexe
Ich sah auch keine gute Chance, hinzukommen, dann hätte ich eben durch die neuen Häuser gehen müssen.
Hier pulsierte das Leben. Vor allen Dingen Touristen hielten sich in diesem kleinen Viertel auf, und in den Geschäften herrschte reger Betrieb.
Ich ging wieder zurück.
Ratten sah ich keine. Je näher ich meinem Ziel kam, um so gespannter wurde ich. Einen Plan hatte ich mir noch nicht zurechtgelegt. Ich wollte zunächst alles auf mich zukommen lassen, und ich wollte auch versuchen, mit Senta zu sprechen, bevor sie auftrat.
Es stand niemand vor der Bar, der die Leute hereinholte. Auch die Tür war nicht offen, aber sie ließ sich nach innen schieben, und ich fand mich in einem in blaues Licht getauchten Vorraum wieder, der wirklich den Eindruck einer alten Bar machte, wie man sie eben aus Filmen oder von früher her kannte.
Wer wollte, konnte seine Garderobe abgeben. Gegenüber sah ich eine kleine Theke, die allerdings nicht besetzt war. Erst als sich im Hintergrund eine Tür öffnete, erschien der Keeper. Er schleppte zwei Kisten mit Getränken, sah mich, nickte mir zu und meinte, daß ich ruhig durchgehen könnte, weil schon geöffnet war.
Ich blieb noch stehen. »Eigentlich bin ich wegen Senta gekommen.«
Der bärtige Mann lachte. »Das sagen fast alle. Sie ist wirklich ein Geheimtip.« Er räumte Flaschen in die Kühlbox an der Wand. Als er allerdings das Knistern eines Geldscheins hörte, pausierte er und schaute hoch.
»Was möchten Sie trinken?«
»Im Moment reicht mir eine Auskunft.«
»Und was wollen Sie?«
»Sagen Sie mir nur, wo ich Senta finden kann. Alles andere wird sich ergeben.«
Er schüttelte den Kopf. »Sie empfängt keine Gäste vor oder nach den Auftritten.«
»Das ist mir schon klar«, erklärte ich lächelnd und wie jemand, der Bescheid weiß. »Ich bin kein Gast, sondern ein Bekannter von ihr.«
Damit konnte ich den Mann nicht beeindrucken. Er lachte schallend auf.
»Sie glauben nicht, wie viele Typen mir das sagen.«
»Kann ich mir denken, aber keiner dieser Typen wird von ihr in dem BMW mitgenommen.«
Er schluckte. »BMW?«
»Den fährt sie doch manchmal.«
»Das stimmt allerdings.«
Ich lächelte ihn über den Schein hinweg an. »Wo finde ich jetzt die Garderobe?«
»Auf Ihr Risiko hin.«
»Selbstverständlich. Außerdem kenne ich Jake Holland und seinen, na, wie heißt er noch, der Mann, der gedrungen wirkende Macho mit den Haaren, die er in die Stirn…«
Ich brauchte den Satz nicht zu beenden, der Keeper wußte, wen ich meinte. »Slatko.«
»Genau.«
Der Schein verschwand blitzschnell, und ich war um zwanzig Pfund ärmer. Mir wurde flüsternd der Weg erklärt, während der Bärtige weiterhin Flaschen in die Kühlbox schob. Andere Gäste betraten den Vorraum. Es war eine Gruppe von Männern, die Spaß haben wollten. Sie waren laut, vielleicht hörten sie sich auch nur so an, aber ich konnte mich in ihrem Schlagschatten verdrücken.
Um die Garderobe zu erreichen, brauchte ich nicht durch die Bar zu gehen. Ich folgte dem Weg zu den Toiletten, erreichte einen kühlen Gang, in dem es nach Desinfektionsmitteln stank, und mußte dann eine Tür öffnen, um nach rechts zu gehen. Die Aufschrift privat auf der Tür hatte mich nicht gestört.
Der nächste Gang. Hier roch es anders. Die Luft war stickiger, die Beleuchtung ebenso mies. An den Wänden hingen alte Plakate und auch Zettel mit irgendwelchen Nachrichten, aber wichtig war die Tür zu Sentas Garderobe.
Ich fand sie fast am Ende des Flurs. Eine einfache Holztür, ebenso wie die anderen, hinter denen ich das Kichern der anderen Mädchen hörte.
Wahrscheinlich Tänzerinnen oder Animierdamen.
Ich klopfte.
»Ja, komm nur herein, John, ich habe schon auf dich gewartet«, hörte ich Sentas Stimme, als ich die Tür öffnete…
***
»Du hast auf mich gewartet?«
»Klar.«
»Na denn…« Ich wußte nicht, wie ich es aufnehmen sollte, zog zunächst die Tür hinter mir zu und schaute mich um. Mir fiel auf, daß es kein Fenster gab. Dafür sah ich die drei Spiegel an den Wänden, darunter das lange Regalbrett, auf dem die Schminkutensilien standen und auch die Wandlampen über den Spiegeln, die ihr Licht fächerartig in die Tiefe schickten. Ein fahrbarer Garderobenständer gehörte ebenfalls dazu sowie ein alter Sessel mit verschlissenem Stoff, zwei Stühle und ein schmaler Tisch. Er stand neben einem Waschbecken, bei dem Wasser aus dem Kran tropfte. Kein Plakat an den Wänden, kein Bild, aber eine große, löchrige
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