Die Rebellen von Irland
eingetroffen. Von seiner Position auf dem Hügel aus beobachtete O’Byrne die kleine Reiterschar, die den Weg herauftrabte, doch er schenkte ihr keine besondere Beachtung.
Die Augustsonne brannte ihm an diesem Nachmittag ins Gesicht. In der Ferne erhoben sich die Mauern und Kirchtürme Dublins. Zu seiner Rechten, deutlich sichtbar im leichten Dunst, erstreckte sich das zartblaue Wasser der Dubliner Bucht. Hier an den Hängen des Dorfes Rathmines, mehrere Meilen südlich der Hauptstadt, warteten Tausende von Männern, so wie sie bereits den ganzen gestrigen Tag gewartet hatten. Sie warteten auf Cromwell.
O’Byrne wandte sich an den jungen Soldaten, der neben ihm stand. »Sehen Sie doch mal nach, wer die Leute sind, die gerade angekommen sind.« Eigentlich war es O’Byrne gleich, aber der junge Mann war nervös geworden, und jetzt hatte er wenigstens etwas zu tun.
Die Streitmacht, die hier wartete, um dem gerade nach Irland übersetzenden Cromwell entgegenzutreten, war ein bunt zusammengewürfelter Haufen. Den Oberbefehl führte der Protestant Lord Ormond, der im Auftrag des Sohnes des hingerichteten Königs auf die Insel zurückgekehrt war. Den Truppen, die er bei Rathmines zusammengezogen hatte, gehörten eine große Zahl altenglischer Katholiken, aber auch viele Protestanten an. Ebenfalls der royalistischen Koalition beigetreten war der irische Protestant Lord Inchiquin mit seinen Kräften in Munster. Und oben in Ost-Ulster war zur Koalition eine Armee von Ulster-Schotten gestoßen, die sich als Presbyterianer zu Feinden der Independenten von Cromwells Heer erklärt hatten. Nur die Hauptarmee alteingesessener Iren war der Koalition ferngeblieben, weil Owen Roe O’Neill in West-Ulster immer noch ohne Verbündete ausharrte. Alles in allem verfügte Lord Ormond über mehr als vierzehntausend Mann.
Ormond hatte seine Position gut gewählt. Wenn Cromwell im Süden landete, konnte er ihm den Weg nach Dublin versperren. Wenn Cromwells Flotte in die Dublin Bay einfuhr, gerieten seine Schiffe in Schussweite der Artillerie, die der Lord an der nahen Küste in Stellung gebracht hatte.
Doch als Brian O’Byrne auf das Lager an den Hängen unter ihm blickte, stellte er sich nur eine Frage: Warum bin ich überhaupt hier? Seine Frau war mit ihrem Sohn bei ihrer Familie in Ulster, wo es im Augenblick verhältnismäßig sicher war. Vor ein paar Tagen war er noch oben in Rathconan gewesen, und er wünschte, er wäre jetzt wieder dort und könnte sich aus allem heraushalten. Der Krieg hatte nichts Gutes. Er hatte genug gesehen, um das zu wissen. Wenn er schon kämpfen musste, hätte er sich beizeiten Owen Roe O’Neill anschließen sollen. Aber mittlerweile stand er bei den Konföderierten und den Verwandten seiner Frau zu sehr in der Pflicht. Er musste an ihrer Seite kämpfen, auch wenn er nicht mit dem Herzen dabei war.
Und er stand mit seinem Unbehagen nicht allein. Denn der größte Widerstand gegen Cromwells Landung in Irland war von einer ganz anderen Seite gekommen: von Cromwells eigenen Soldaten.
Natürlich vom Flügel der Levellers. Und er beschränkte sich nicht nur auf einzelne Radikale: Ganze Kompanien, ganze Regimenter seiner unbeugsamen Musterarmee hatten den Dienst in Irland verweigert. Cromwell hatte ihnen gedroht, hatte ihnen gut zugeredet, aber seine gläubigen englischen Soldaten wollten nicht kommen. Ihre Weigerung hatte mehrere Gründe. Einige hatten ihren ausstehenden Sold verlangt, andere forderten politische Reformen in England. Doch das schlagendste Argument, das Soldaten aller Ränge vorbrachten, lautete:
»Die Religion eines Menschen ist eine Angelegenheit des persönlichen Gewissens. Warum sollten wir die Iren zwingen, Protestanten zu werden?«
Seit den Tagen, da das Römische Reich das Christentum zur Staatsreligion erklärt hatte, hatte keine Obrigkeit jemals die Auffassung vertreten, dass die Konfession eines Menschen eine reine Privatangelegenheit sei, die niemanden außer ihm etwas angehe. Der Gedanke war, in seiner Neuartigkeit wie auch in seiner entwaffnenden Schlichtheit, unerhört. Und selbst einem verständnisvollen Heeresgeneral wie Cromwell, der geneigt war, den Gemeinden zu erlauben, die protestantische Lehre auf unterschiedliche Weise mit Leben zu erfüllen, war die Vorstellung ein Gräuel, dass der große Teufel des Katholizismus wie eine gewöhnliche Religionsgemeinschaft behandelt und die tiefe Kluft zwischen Katholiken und Protestanten ignoriert werden könnte.
Doch obwohl
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