Die Rebellen von Irland
inzwischen unter uns aufgeteilt, aber es ist ihr zu verdanken, dass es noch in Familienbesitz ist.« Er schwieg einen Augenblick und starrte nachdenklich auf den Tisch. Hercules fiel auf, dass der Mann dabei sein linkes Auge halb schloss und dafür das rechte weit aufriss.
Hercules griff nach einem blauen Krug und schenkte ihnen beiden Punsch ein.
»Darauf trinken wir«, sagte er.
Danach wurde MacGowan sehr zutraulich. Er machte ein paar Witze, über die Hercules gutmütig lachte, während er ihm Punsch nachschenkte. MacGowans Aussprache wurde immer undeutlicher, aber er trank tapfer weiter und Hercules ermutigte ihn freundlich dazu.
»Ich frage mich«, wagte Hercules schließlich den Vorstoß, »ob Sie vielleicht einen Doktor Terence Walsh zu ihren Bekannten zählen.«
»Doktor Walsh?« Das Gesicht des Lebensmittelhändlers leuchtete auf. »Den kenne ich tatsächlich. Ein wirklich ehrenwerter alter Mann.«
»Da stimme ich Ihnen zu. Ich selbst habe die Ehre, zu seiner Familie zu gehören.«
»Ah, tatsächlich?« MacGowans verwirrter Gesichtsausdruck zeigte Hercules, dass der Mann bereits vergessen hatte, wer er war.
»Dann kennen Sie sicher auch seinen Sohn, meinen Cousin Patrick, oder?«
»Aber ja, den kenne ich«, sagte MacGowan verständnislos, aber erfreut.
»Er hat mir alles über Ihr heutiges Erscheinen hier erzählt.« Hercules grinste und blinzelte MacGowan verschwörerisch zu.
»Wirklich?«
»Er ist schließlich mein Cousin. Ein ganz famoser Kerl.«
MacGowan lehnte sich vertrauensvoll zu Hercules und raunte:
»Er hat Ihnen von der Wette erzählt?«
Hercules nickte.
»Allerdings sagte er nicht, ob er selbst mit Ihnen gewettet hat.«
»Nein, er war nicht daran beteiligt. Das waren zwei andere Kerle. Aber er hat davon gehört. Er wird es doch sonst niemandem erzählen, oder?«
»Niemals.«
»Ein famoser Kerl.«
»Das kann man wohl sagen.« Hercules senkte die Stimme. »Dass ein Katholik sich hier einfach so einschleicht … hier bei den Orange Aldermen. Wirklich ein tollkühnes Unterfangen. Was bekommen Sie dafür?«
»Zwei Guineas dafür, dass ich überhaupt hineinkomme. Zwei weitere, wenn mich niemand entdeckt. Und noch mal zwei, wenn ich es nächsten Monat wieder schaffe.« Er grinste. »Zwei Guineas habe ich also schon sicher.«
Hercules lachte. Dann stand er auf, ging zum Oberbürgermeister und teilte ihm mit, dass sie infiltriert worden waren.
Die nächsten Minuten boten ein interessantes Schauspiel. So etwas Unerhörtes war noch nie vorgekommen. Die Gesellschaft musste also eine wichtige Entscheidung treffen. Was sollte mit diesem katholischen Lebensmittelhändler geschehen, der es gewagt hatte, die Heiligkeit des Abends zu entweihen und ihre geheimen Ratschlüsse zu belauschen? Wie der Oberbürgermeister sehr richtig zu bedenken gab, musste hier ein Präzedenzfall geschaffen werden. Während sie darüber diskutierten, hielten sie den Eindringling fest und versetzten ihm schon mal ein paar Tritte und Schläge. Einige Anwesende waren so empört, dass sie – da es bedauerlicherweise in diesem Fall kein Gesetz gab, welches dem Mann den Tod am Galgen einbringen würde, den er für seinen Frevel verdiente – als anständige Bürger vorschlugen, ihn fast zu Tode zu prügeln. Andere waren offensichtlich bereits so benebelt, dass sie für eine mildere Strafe plädierten, da das schändliche Verbrechen ja schließlich aufgrund einer Wette geschehen sei.
Hercules, der seine Pflicht bereits damit erfüllt hatte, die Schandtat ans Tageslicht zu bringen, beteiligte sich nicht an dieser Diskussion. Schließlich setzte sich der gemäßigte Oberbürgermeister durch, und so zerrten sie MacGowan nur zum Fenster und warfen ihn hinaus.
Es waren nur wenig mehr als vier Meter bis zum Kopfsteinpflaster der Straße, aber MacGowan fiel unglücklich und brach sich das Bein. Der Wundarzt konnte es wieder einigermaßen richten. Und damit war die Sache erledigt.
***
Zumindest für die Aldermen. Aber Hercules hatte noch eine Rechnung zu begleichen.
Am nächsten Tag bat er Patrick um ein Gespräch unter vier Augen. Die Unterhaltung dauerte nicht lange.
»Du wusstest, dass John MacGowan sich bei den Aldermen einschleichen wollte. Und du hast mir nichts davon gesagt.«
»Meine Lage war schwierig. Ich hatte ihm mein Wort gegeben. Außerdem war es ja nur eine dumme Wette.«
»Du hast mich belogen«, prangerte Hercules ihn an.
»Das ist nicht wahr. Ich habe eigentlich gar nichts gesagt. Ich habe gehört,
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