Die Rebellen von Irland
nicht fremd. Aber wenn sie an Fortunatus und die ehrliche Loyalität des jungen Patrick dachte, dann erfüllte sie der gefühllose Zynismus des Engländers mit Trauer und Ekel.
Dabei war sie eigentlich in London, um sich zu vergnügen. Sie hatte die neuesten Moden begutachtet, feine Seide und Schuhe gekauft, während George drei Gemälde italienischer Meister erwarb. Aber am schönsten war der Abend, an dem sie ins Theater gingen und sich die neue romantische Komödie ansahen, die London im Sturm erobert hatte.
Die Rivalen, mit seiner fast traumhaften Handlung und den lebendigen Charakteren – Sir Lucius O’Trigger, Sir Anthony Absolute, die Romane lesende Lydia Languish und nicht zu vergessen die unsägliche Malaprop, die immer das falsche Wort verwendete – war ganz offensichtlich dazu bestimmt, ein großer Bühnenerfolg zu werden. Sogar der große Schauspiellehrer Garrick hatte es bereits zum Meisterstück erklärt. Kaum zu glauben, dass der Autor erst dreiundzwanzig Jahre zählte!
Nachdem Lord und Lady Mountwalsh vor Lachen gebrüllt und herzhaft applaudiert hatten, erwartete sie noch ein ganz besonderes Vergnügen. Denn nach dem Stück durften sie hinter der Bühne dem gut aussehenden Dramatiker persönlich gratulieren. Es war Tom Sheridans Sohn Richard.
»Mein Vater wird sehr glücklich darüber sein, dass der Enkel seines geschätzten Freundes Doktor Sheridan in London so außergewöhnliche Erfolge feiert«, sagte George herzlich. »Und vergeben Sie mir, aber ich muss Ihnen eines sagen: Eine so spritzige, brillante Sprache wie die Ihre kann nur von einem Iren stammen.«
Über beide Komplimente schien sich Sheridan außerordentlich zu freuen.
»Ich erinnere mich an Ihren Vater. Da war ich noch ein kleiner Junge in Dublin«, rief er.
»Haben Sie denn auch unseren Sohn Hercules kennen gelernt, als er in London war?«, fragte Georgiana.
»Ah, ja«, erwiderte Sheridan.
Der Frühling verlief recht ereignislos für Georgiana, bis aus Amerika die Nachricht eintraf, dass es bei Boston zu Kämpfen gekommen war. Bald danach erhielt sie einen Brief von Richter Edward Law aus Philadelphia:
Nach einigem Zögern habe auch ich mich den so genannten Patrioten angeschlossen. Meiner Meinung nach sind etwa ein Fünftel unserer Bevölkerung Patrioten, die eine vollständige Abtrennung von England befürworten. Zwei Fünftel stehen der Krone loyal gegenüber, wollen aber Reformen. Weitere zwei Fünftel haben sich noch nicht entschieden, interessieren sich nicht dafür oder haben Angst, sich einer Partei anzuschließen. Die Sklavenhalter im Süden haben vor allem Angst, was einen Sklavenaufstand auslösen könnte.
Ich weiß, dass unsere Cousins in Ulster, wie die meisten Presbyterianer dort, ganz entschieden die Patrioten unterstützen und es gerne sähen, wenn Amerika – und Irland – von England unabhängig wären. Und Sie? Sind Sie für uns oder gegen uns?
Georgiana las sich den Brief sorgfältig durch und entschied sich dafür, nicht gleich darauf zu antworten. Als ihr Ehemann fragte, ob sie etwas von Interesse erfahren hatte, antwortete sie: »Nicht wirklich, George«, und schloss den Brief in ihrem Sekretär ein.
Ein Jahr später war die amerikanische Unabhängigkeitserklärung um die ganze Welt gegangen, viertausend Soldaten aus Irland waren nach Amerika geschickt worden, um die Kolonie niederzukämpfen, und man erfuhr, dass der liebe alte Mr Franklin Englands Erzfeind Frankreich um militärische Hilfe gebeten hatte. Wahrscheinlich war es klug gewesen, überhaupt nicht auf den Brief zu antworten, dachte Georgiana.
Im selben Jahr beanspruchte ein anderes Ereignis ihre Aufmerksamkeit.
Hercules hatte eine Frau gefunden. Die Eltern des Mädchens, die ein ansehnliches Anwesen im County Meath besaßen, hatten sie nach Dublin gebracht, um dort einen Ehemann für sie zu finden. Hercules hatte um sie geworben und ihr Herz erobert. Da sie ausdrücklich zu diesem Zweck in der Stadt lebte und er der Erbe von Lord Mountwalsh war, brauchte er dazu zwar nicht mehr als einen Funken gesunden Menschenverstandes. Diese Frau entsprach genau seinen Vorstellungen. Kitty war keine Schönheit, die überall Bewunderung auslöste, sah aber an seiner Seite sehr gut aus. Und da sie erst achtzehn war, sah sie zu Hercules auf. Als Georgiana sie einmal fragte, was sie vom Verhalten der amerikanischen Kolonisten hielt, blickte sie sofort fragend zu Hercules, der in bestimmtem Ton für sie antwortete: »Es sind Rebellen, die für
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