Die Rebellen von Irland
berichtete er. »Er sehnt sich nach dem Ruhestand und bleibt nur, weil der König ihn darum gebeten hat. Die amerikanischen Probleme machen ihm schwer zu schaffen. Das halbe Parlament ist bereit, den Kolonisten nachzugeben, nur der König bleibt weiterhin standhaft. Und an Irland verzweifelt er allmählich. Er hat mir im Privaten gestanden, dass er langsam darüber nachdenkt, unser Parlament ganz abzuschaffen und die Insel direkt von Westminster aus zu regieren. Ich kann es ihm nicht verübeln.« Er zuckte mit den Schultern. »In London gibt es keine Männer mit Rückgrat.«
Kurz danach sprach er erneut bei seinen Eltern vor. Er hielt ein Blatt Papier in der Hand und schnaubte vor Wut.
»Haben Sie das gesehen?«, schrie er. Es war ein Pamphlet. Der Autor empfahl, dass Irland dem Beispiel des rebellischen Amerika folgen und sich vollständig von England lossagen solle. »Und er hat die Frechheit, das natürliche Gerechtigkeit zu nennen. Und wer ist dieser Schmierfink? Ein Patriot aus unserem eigenen Parlament. Der verdammte Charles Sheridan.« Er sah seine Eltern grimmig an. »Und meine Familie bezeichnet die Sheridans immer noch als Freunde«, brummte er. »Ich hätte Ihnen schon lange sagen können, dass diese Leute nichts taugen.«
Das Ereignis, das Georgiana zwang, zuzugeben, dass Hercules’ Sorge vielleicht nicht ganz grundlos war, geschah im Herbst. Sobald die neue Sitzungsperiode im Parlament begann, warfen sich die Patrioten mit neuem Eifer ins Gefecht. Grattan forderte, Irland ein für allemal einen eigenen Freihandel zuzugestehen und die englischen Kontrollen abzuschaffen. Die Volunteers organisierten unterdessen mehrere kleine Paraden, bei denen patriotische Reden gehalten wurden. Aber Gerüchten zufolge war das nur ein Vorspiel.
»Wartet auf König Billies Geburtstag«, hieß es überall.
Für alle protestantischen Dubliner Kaufleute war der wichtigste Tag des Jahres der Geburtstag von König Wilhelm III. von Oranien im November. Jedes Jahr wurde er mit Festessen und loyalen Festreden gefeiert. Dieses Jahr wurde angekündigt, dass die Volunteers vor König Billies Statue auf dem College Green eine Parade abhalten würden. Alle erwarteten ein großes Spektakel.
Zufällig weilte George Mountwalsh zu dieser Zeit gerade geschäftlich auf dem Anwesen in Wexford, und deshalb bat Georgiana, die diese Parade unbedingt sehen wollte, Hercules, sie zu begleiten.
»Gehen Sie bloß nicht dorthin«, lehnte er ab. »Sie sollten das Haus nicht verlassen. Zum einen, weil ich den Volunteers nicht traue. Und selbst wenn sie sich benehmen, will ich nicht, dass Sie dort gesehen werden.«
»Ich wäre völlig sicher, wenn ich mit dir hinginge. Und das würde auch allen Missverständnissen vorbeugen«, beharrte sie.
»Auf keinen Fall. Ich verbiete es Ihnen.«
Hätte Hercules seinen letzten Satz verschluckt, wäre sie vielleicht sogar zu Hause geblieben. Wahrscheinlich wollte er sie nur beschützen, aber es stand ihrem Sohn nicht zu, ihr Befehle zu erteilen. Also schwieg Georgiana und traf ihre eigenen Vorbereitungen. Sie wusste, dass es leichtsinnig wäre, sich als Dame ohne männliche Begleitung in eine so riesige Menschenmenge zu begeben. Wen sollte sie darum bitten, mit ihr hinzugehen? Und dann wurde ihr klar, dass sie den idealen Begleiter kannte.
Sie wartete bereits ungeduldig, als Doyle bei ihr eintraf. Der Kaufmann war bester Laune.
»Das Wetter ist geradezu perfekt«, verkündete er. »Und ich habe alle nötigen Vorkehrungen getroffen.«
Sie gingen um den Merrion Square, an der riesigen Fassade von Leinster House vorbei, und bogen an der Ecke links nach Westen ab. Zu ihrer Rechten erstreckte sich die graue Mauer, die das Trinity College umfriedete. Die Straße war voller Menschen, die alle in die gleiche Richtung strömten. Bald herrschte ein solches Gedränge, dass Georgiana doppelt froh über Doyles Begleitung war. Als sie die Kildare Street passiert hatten und auf die Hauptgebäude des College zusteuerten, musste sie sich dicht hinter den Kaufmann drängen, der sich unbeirrt einen Weg durch die Menge bahnte. Als sie endlich das College erreichten, fürchtete sie schon, dass sie von der Parade überhaupt nichts sehen würde. Das ganze Green war abgesperrt, und die Menge stand so dicht gedrängt, dass sie nur den oberen Teil des riesigen Parlamentsgebäudes sehen konnte, der über ihren Köpfen aufragte. Doyle ging jedoch weiter und bog unvermittelt in einen Hauseingang ein.
»Hier wohnt ein Freund von
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