Die Rebellen von Irland
Gebäude getreten waren, um die Parade zu betrachten.
Auf dem College Green war es wieder relativ ruhig, als Doyle und Georgiana das Haus verließen. Sie wollten gerade ihren Heimweg am Gelände des Trinity College vorbei antreten, als Doyle einen seiner Söhne sah, der aus der Dame Street kam. Es war sein jüngster Sohn, der mittlerweile um die dreißig sein musste. Er hatte den Rang eines Sergeant inne und sah in seiner Uniform sehr ansehnlich aus. Zwei weitere Volunteers begleiteten ihn, deren Uniformen allerdings der seinen nicht glichen. Doyle winkte seinem Sohn zu und bedeutete ihm, herzukommen.
Sergeant Doyle verbeugte sich höflich vor Georgiana und fragte sie freundlich, ob ihr die Parade gefallen habe. Sie antwortete irgendetwas Nichtssagendes. Dann informierte er seinen Vater, dass er und seine Brüder sich in Kürze im Haus der Familie treffen würden. »Ich bringe auch diese beiden braven Kerle aus Ulster mit«, kündigte er an. »Sie sind aus Belfast angereist, um uns in Augenschein zu nehmen. Ich hoffe, wir haben sie gebührend beeindruckt.«
Die beiden Männer schienen im gleichen Alter wie Doyles Sohn zu sein und wirkten ruhig und umgänglich.
»Wir waren beeindruckt«, sagte der Größere mit einem Lächeln.
»Sehr beeindruckt«, wiederholte der zweite mit dem gleichen, nördlichen Akzent. »Gut exerziert.«
»Und was hielten Sie von dem Banner?«, mischte sich Georgiana in die Konversation ein. »Freier Handel oder Revolution? Haben Sie etwa vor, wie die Amerikaner gegen die Engländer zu kämpfen?«
Die beiden Männer aus Ulster sahen sich an.
»Unsere Vorfahren haben sich dem Covenant verschworen«, erwiderte der Größere. »Wenn Prinzipien in Gefahr sind, dann ist es manchmal notwendig, zu den Waffen zu greifen.«
»Aber nicht, wenn es sich vermeiden lässt«, warf der andere ein.
»Nicht, wenn es sich vermeiden lässt.« Der große Mann lächelte Georgiana offen an. Seine blauen Augen blickten freundlich. Hatte sie diesen Mann schon mal irgendwo gesehen?
»Darf ich Ihre Namen erfahren?«, fragte Doyle.
»Ich bin Andrew Law«, erwiderte der Größere. »Und das ist mein Bruder Alex.«
»Ich bin entzückt, Ihre Bekanntschaft zu machen. Dies ist Lady Mountwalsh.«
Mit den beiden Männern ging eine außergewöhnliche Verwandlung vor. Sie sahen sich an und verstummten völlig. Es war, als wären sie zu Eis erstarrt.
Georgiana starrte sie an. Deshalb war der Größere ihr so bekannt vorgekommen. Als sie den beiden forschend ins Gesicht blickte, sah sie noch andere Ähnlichkeiten – nicht auffällig, aber doch deutlich – mit ihrem eigenen, lieben Vater.
»Sie sind die Söhne von Daniel Law?«
Andrew Law senkte den Kopf kaum wahrnehmbar, aber das blieb seine einzige Antwort.
Sie verstand ihre Haltung natürlich. Aber aus irgendeinem Grund – sie wusste selbst nicht genau, warum – hatte sie das dringende Bedürfnis, mit ihnen zu sprechen, sie besser kennen zu lernen.
»Ich bedauere, dass unsere Familien sich nicht näher stehen«, sagte sie leise. Sie legte so viel Freundlichkeit als möglich in ihre Stimme und hoffte, dass sie auch würdevoll klang. Aber ihr Friedensangebot wurde nicht angenommen. Die beiden Männer standen stumm vor ihr, als beteten sie zu Gott, er möge sie von ihrer Gegenwart erlösen. Die beiden Doyles beobachteten sie erstaunt. Andrew und Alex Law starrten ausdruckslos vor sich hin. Es lag kein Hass in ihrem Blick, dafür waren sie zu gute Menschen. Aber Georgiana begriff, dass diese beiden sie genau wie zwei Älteste der Presbyterianischen Kirche als Unberührbare betrachteten, als Ehebrecherin, ja als gefallene Frau. So war sie noch nie behandelt worden, und sie empfand es als seltsam verstörend.
»Nun«, sagte der junge Doyle, »ich glaube, wir müssen uns auf den Weg machen.« Die beiden Laws verbeugten sich höflich vor seinem Vater und drehten sich um.
Doyle erwähnte den Vorfall auf dem Heimweg zum Merrion Square nicht, und so hing Georgiana alleine ihren Gedanken nach. Sie fühlte sich seltsam entwurzelt, als sei gerade ihre ganze Welt auf den Kopf gestellt worden. Und als sie die große, leere Fläche des Merrion Square erreichte, die sie doch eigentlich so liebte, war ihr das Herz entsetzlich schwer. Lag es an der Parade oder an der Ablehnung ihrer Cousins, dass sie plötzlich von einem Gefühl der Verzweiflung und des Verlustes überwältigt wurde? Sie wusste es selbst nicht. In den folgenden Wochen heftete sich diese Niedergeschlagenheit an
Weitere Kostenlose Bücher