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Die Rebellen von Irland

Die Rebellen von Irland

Titel: Die Rebellen von Irland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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der während Sean O’Byrnes Lebenszeit Father Donal die Messe gehalten hatte. Sogar die Nachfahren von Father O’Donal waren noch da. Einer war ebenfalls Priester, aber im Gegensatz zu Father O’Donal hatte er weder Frau noch Kinder. Nur noch wenige Priester lebten nach diesem alten irischen Brauch. Sein Bruder, ein Gelehrter und Dichter, bot seine Dienste als Hauslehrer sehr erfolgreich den Familien in der Gegend an. Dieser Beruf erlaubte es ihm, Körper und Seele wach und jung zu halten – und dabei unzählige Kinder in die Welt zu setzen. Priester und Gelehrte, Kuhhirten und Schäfer, die Rathconan-Familien und ihre Nachbarn bildeten die kleine Welt, die Brian O’Byrne geerbt hatte. Der Priester und sein Bruder hatten ihn ausgebildet, ein Schneider aus Dublin hatte ihn eingekleidet, und dank der Führung seines weisen und liebevollen Vaters war er stolz auf dieses Erbe.
    Er war auch stolz darauf, ein O’Byrne zu sein. Sie gehörten zwar mit den O’Tooles zu den verzweigtesten Sippen, die in den Wicklow-Bergen herrschten, aber es war kaum möglich, auf einen von ihnen zu zeigen und auszurufen: »Das muss einfach ein O’Byrne sein.« Es gab dunkelhaarige, blonde, große und kurz gewachsene. Nach sechshundert Jahren Familiengeschichte bilden sich auch in einer begrenzten Region die unterschiedlichsten Typen heraus. Auch in ihrer politischen Einstellung unterschieden sie sich stark. Am Ende von Königin Elisabeths I. langer Regierungszeit kooperierten die O’Byrnes im nördlichen Wicklow, relativ nah bei Dublin, im Allgemeinen mit der englischen Regierung, obwohl keiner von ihnen zum Protestantismus übertrat. Die mächtigen O’Byrne-Clanführer in den südlichen Gebirgspässen hatten sich jedoch ihre stolze Unabhängigkeit bewahrt. Als Tyrone sich gegen die englische Krone erhob, war der Clanführer der südlichen O’Byrnes sein wichtigster Verbündeter gewesen. »O’Byrne war Tyrones Verbindung zum spanischen König. Er machte aus dem Aufstand einen Kampf für die katholische Sache«, hatte der Vater Brian stolz erzählt. »Aber Sie waren doch gar nicht Tyrones Meinung«, hatte Brian ihn erinnert. Die O’Byrnes von Rathconan hatten es den nördlichen O’Byrnes gleichgetan und sich aus dem Konflikt herausgehalten.
    »Das stimmt«, sagte sein Vater wehmütig. »Aber trotzdem war es eine große Zeit.«
    Sein Vater war in diesen schwierigen zwei Jahrzehnten die moralische Instanz der ganzen Gegend geworden. Ein irischer Prinz bis in die Fingerspitzen. Niemand zweifelte daran, für welche Seite das Herz dieses groß gewachsenen, mutigen, gut aussehenden Mannes schlug. Aber er war auch vorsichtig und weise. Als Tyrones großes Abenteuer scheiterte, war er zwar traurig gewesen, aber es hatte ihn nicht überrascht. 1606, ein Jahr vor der Flucht der Grafen, wurde das große, wilde Gebirgsland von Wicklow schließlich als englische Grafschaft deklariert. Trotz der Nähe zu Dublin war es das letzte Gebiet Irlands, das unter englische Verwaltung gestellt wurde. In den hohen, einsamen Gebirgszügen merkte man den Unterschied kaum. Aber wenigstens theoretisch war damit die Unabhängigkeit der Region zu Ende. Doch auch dieses Thema hatte sein Vater eher philosophisch betrachtet.
    »Früher überfielen Generationen von O’Byrnes die englischen Bauernhöfe drunten in der Ebene. Und die schickten Soldaten in die Hügel hinauf. Manchmal wurden sie in einen Hinterhalt gelockt und getötet, und manchmal schlugen sie uns. Aber diese Zeiten sind vorbei. Es gibt andere Arten zu leben. Bessere.« Dies riet er in den schweren Zeiten seinen Nachbarn. Und zu Brian sagte er immer: »Wenn du Rathconan und alles, was dir wichtig ist, erhalten willst, dann musst du wie ein weiser Mann handeln. Gegen die Engländer kannst du dich nur behaupten, wenn du nach ihren Regeln spielst.«
    »In welcher Hinsicht? Wie soll ich mich verändern?«
    »Das weiß ich nicht«, bekannte sein Vater offen. »Du musst für deine Generation weise handeln. Das ist der einzige Rat, den ich dir geben kann.«
    Und nun war diese Zeit viel zu früh angebrochen. Sein Vater war noch nicht alt gewesen, aber er hatte seit über einem Jahr an einer schweren Krankheit gelitten, die ihm am Ende alle Lebenskraft genommen hatte.
    Die Totenwache hatte bereits vor einiger Zeit begonnen. Die Leiche war geschmückt und aufgebahrt worden. Es hatte Totenklagen gegeben, aber die meisten Besucher hatten dem Toten ihren Respekt still erwiesen. Es gab reichlich zu essen und zu

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