Die Rebellen von Irland
wenigen Jahren hatte sie zutiefst beunruhigt.
Obwohl das neue unabhängige Parlament genug zu regeln gehabt hatte, war für einige Jahre Ruhe in Irland eingekehrt. Dann, 1789, hatte die Nachricht von der Französischen Revolution Europa wie ein Donnerschlag erschüttert. Deirdre wusste noch aus ihrer Kindheit, wie aufregend die Amerikanische Revolution gewesen war, doch die Französische Revolution schien eine Umwälzung ungeheueren Ausmaßes. 1776 hatten die Iren erlebt, wie die Neue Welt sich von der Alten ablöste. Jetzt dagegen schien es, als wollte die Alte Welt sich selbst in einer Orgie der Gewalt und des Blutvergießens ein neues Gesicht geben. Deirdre fühlte sich von dem gewaltigen Experiment abwechselnd angezogen und abgestoßen. Von einem neuen Zeitalter der Vernunft war die Rede, vom Ende der gesellschaftlichen Klassen, von religiöser Toleranz und sogar von der Herrschaft des Atheismus.
Und während sich diese erstaunlichen Ereignisse in Frankreich zutrugen, war Patrick zu seinem jährlichen Besuch eingetroffen, diesmal allein. Die beiden Männer hatten sich wie gewöhnlich nach Glendalough begeben. Nach ihrer Rückkehr hatten sie sich zum Abendbrot niedergelassen. Angeregt von Walsh, hatte Conall mehr getrunken als sonst. Sie sprachen über die jüngste Entwicklung der Französischen Revolution und ihre Bedeutung für Europa. Fest stand, dass die anderen europäischen Monarchien den Umsturz der gesellschaftlichen Ordnung in ihrer Mitte nicht hinnehmen würden.
»Du weißt, was das meiner Meinung nach für Irland bedeuten könnte«, sagte Patrick mit gesenkter Stimme.
Conall hatte ihn unverwandt angesehen und dann ganz ruhig, aber mit einer Leidenschaft, wie Deirdre sie noch nie in seiner Stimme gehört hatte, geantwortet: »Ich werde bereit sein, wenn die Zeit reif ist, das versichere ich dir.«
Als Deirdre ihren Mann am folgenden Tag fragte, was er damit gemeint habe, hatte er nur den Kopf geschüttelt und gesagt: »Es gibt Dinge, die du besser nicht weißt.« Die herablassende Antwort machte sie wütend und sie spürte, wie er ihr in diesem Moment fremd wurde.
Einige Wochen später war er nach Dublin gefahren, um seine Söhne zu besuchen, wie er sagte. Doch hatte Deirdre das ungute Gefühl gehabt, dass es noch einen anderen Grund gab, der etwas mit Walsh zu tun hatte. Sie verfluchte den Tag, an dem Patrick Walsh in ihr Leben getreten war.
Denn damit hatte der Alptraum begonnen, der bis zu diesem Tag andauerte.
Deirdre blickte ins Tal hinunter.
Von ferne schien es zunächst, als ändere das Wesen, das den gewundenen Pfad heraufkam, seine Gestalt. Im einen Moment schien es ein einzelner Reiter, im nächsten ein Hirsch mit einem großen Geweih. Erst dann erkannte Deirdre, dass es sich nicht um einen, sondern um zwei Reiter handelte. Der erste war unverkennbar Patrick. Hinter ihm ritt ein hochgewachsener Mann, den Deirdre noch nie gesehen hatte.
Plötzlich wusste sie mit größter Bestimmtheit, dass diese Männer ihr Conall wegnehmen würden. Instinktiv wollte sie zu Conall zurückrennen und ihn vor den beiden verstecken – doch im selben Moment merkte sie, dass er neben sie getreten war.
»Warum kommen sie hierher?« fragte sie, und ihre Stimme klang schrill und aufgeregt.
Conall legte den Arm um sie. »Bisher konnte ich dir nichts sagen, Deirdre«, sagte er ruhig. »Aber jetzt sollst du alles wissen.« Er drückte sie an sich. »Ich brauche deine Hilfe.«
Patrick war gern in Rathconan. Er genoss das Gefühl, in den Bergen zu sein, doch verschwendete er keine Zeit. Sobald er Conalls Hütte betreten hatte, stellte er ihm John MacGowan vor. Deirdre war den Männern gefolgt. Patrick sah Conall fragend an, und dieser sagte ruhig: »Es ist Zeit, dass wir sie einweihen.«
Patrick musterte ihn einen Moment lang nachdenklich, dann nickte er. Er wusste, dass Deirdre ihn nicht mochte, doch nahm er es ihr nicht übel.
»Sie wissen vielleicht, dass ich jahrelang dem so genannten Katholischen Komitee angehörte, Deirdre«, begann Patrick.
Deirdre zuckte die Schultern. »Ich wusste nie genau, was das war.«
»Eine ziemlich große Gruppe von Leuten, die sich für die irischen Katholiken verantwortlich fühlten. Wir hofften auf Freiheit für sie, doch wappneten wir uns mit Geduld. Ich fühlte mich den Überzeugungen verpflichtet, für die meine katholische Familie seit dreihundert Jahren steht. Als Henry Grattan sein unabhängiges irisches Parlament bekam, sollte das zu einer allmählichen
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