Die Rebellen von Irland
deshalb Hunger leiden zu müssen. Außerdem konnten sie ihre Erzeugnisse aufgrund des allgemeinen Bevölkerungswachstums zu guten Preisen verkaufen. Ihre mit Rasen gedeckten Hütten mochten weiterhin ärmlich aussehen, doch es ging den zahlreichen Brennans und ihren Nachbarn besser als zuvor. Sogar die O’Byrnes konnten ihre Pacht zahlen.
Dieselbe Entwicklung hatte ganz Irland erfasst. Die Städte wuchsen – die Bevölkerung Dublins hatte sich in drei Generationen verdreifacht – und auch die Landbevölkerung vermehrte sich.
Deirdre und Conall hatten kaum materielle Sorgen. Zwei Töchter lebten in Wicklow. Beide waren mit recht wohlhabenden Männern verheiratet, die eine mit einem Metzger, die andere mit einem Bierbrauer. Die beiden ältesten Söhne waren nach Dublin gezogen. Der eine hatte als Drucker ein gutes Auskommen gefunden, der andere, ein Tabakhändler, schien weniger erfolgreich und lebte in ärmlichen Verhältnissen in den Liberties im Westen der Altstadt. Die beiden Jüngsten waren in Rathconan geblieben. Der Junge, Peter, trat als Tischler in die Fußstapfen seines Vaters, seine Schwester arbeitete als Magd in Budges Haus.
Blieb noch Brigid. Und der Teufel Patrick Walsh.
Dass Brigid mit Patrick durchgebrannt war, hatte Deirdre erst einen Monat danach erfahren. Sie hatte einen Brief vom Verwalter von Mount Walsh erhalten, der darauf anspielte. Deirdre musste annehmen, dass die beiden nach Dublin gegangen waren, auch wenn das nicht im Brief stand.
»Haben sie denn geheiratet?«, fragte sie Conall.
»Das hätten wir von Brigid gehört«, antwortete er.
»Dann müssen wir Brigid suchen und retten, bevor ihr Ruf ruiniert ist«, sagte Deirdre verzweifelt.
»Dazu ist es wahrscheinlich zu spät«, murmelte Conall. Er traf allerdings noch am selben Tag Vorbereitungen, zusammen mit Deirdre in die Hauptstadt aufzubrechen.
Sie war noch nie in Dublin gewesen und staunte über die Größe der Stadt. Sie kamen kurz nach Mittag an und begaben sich sofort zum Haus ihres Sohnes in einer schmalen Gasse, die von der Dame Street abzweigte. Er erklärte ihnen, wo sie Patrick Walsh finden würden. Unverzüglich machten sie sich auf den Weg. Sie gingen zum College Green und überquerten die Brücke über den Liffey. Auf dem Nordufer wuchsen in einiger Entfernung rechts von ihnen die Grundmauern eines gewaltigen klassizistischen Gebäudes in die Höhe, das, wie sie erfuhren, einmal das neue Zollhaus sein würde. Die Stadt wuchs unaufhörlich, und das Viertel im Norden mit seinen großen Straßen und Plätzen stand dem Viertel um den St. Stephen’s Green an Pracht und Eleganz kaum nach. Ehrfürchtig bestaunte Deirdre die großen Adelspalais auf beiden Seiten der breiten Sackville Mall, die fünfhundert Meter lang nach Norden führte, auf die schöne Fassade des Entbindungsheims und den eleganten Rutland Square dahinter zu. Patrick Walshs Haus stand in einer schmaleren, aber gepflegten Straße.
Zur Eingangstür führten einige Stufen hinauf, zum Lieferanteneingang im Keller führte eine Treppe hinunter. Conall zögerte einen Moment, dann stieg er zur Eingangstür hinauf.
Das Mädchen, das ihnen öffnete, schien zunächst verwirrt über ihre einfache Kleidung und fragte, ob sie Händler seien. Doch Conall nannte ihr seinen Namen, und wenige Augenblicke später kehrte sie zurück und führte die beiden durch einen Flur in ein kleines Empfangszimmer. Sie mussten nur kurz warten, dann trat Patrick Walsh in das Zimmer. Er lächelte.
»Sie suchen bestimmt Brigid«, sagte er, bevor sie ihr Anliegen vorbringen konnten. »Ich dränge sie seit einem Monat, Ihnen zu schreiben.«
»Dann wohnt sie also hier?«, fragte Conall.
»So ist es, Mr Smith, und sie wird gleich bei uns sein«, erwiderte Patrick Walsh freundlich, als sei alles in bester Ordnung.
Deirdre starrte ihn an. Ein kluges Gesicht, freundliche Augen, ein einnehmendes Wesen, ein Gentleman durch und durch. Doch sie ließ sich keine Sekunde täuschen.
»Was haben Sie mit meiner Tochter gemacht?«, fragte sie.
»Ich habe sie nicht entführt, Mrs Smith«, sagte er ruhig. »Sie war im Haus meines Cousins Lord Mountwalsh angestellt, wie Sie wissen.« Wenn die Anspielung auf die Bedeutung seiner Familie Deirdre einschüchtern sollte, verfehlte sie ihren Zweck. »Jetzt hat sie eingewilligt, mir hier als Haushälterin zu dienen.« Er blickte Deirdre unverwandt an.
»Als Haushälterin? In ihrem Alter?«
»Ich habe kein großes Haus.« Er hob den Kopf. »Da kommt sie
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