Die Rebellen von Irland
unschuldiger Menschen. Frauen und Kinder. Es wäre nicht das erste Mal und kann jederzeit wieder passieren. Wollen wir das?«
»Nein, Vater.« William war ein wenig enttäuscht, denn er hatte von diesen Dingen schon gehört.
»Glücklicherweise«, fuhr sein Vater fort, »sind wir besser informiert, als diese Leute denken. Überall in Irland halten tüchtige Männer Wache: Gentlemen und ehrbare Händler, auch ärmere Leute – Männer mit guten Herzen. Wir wissen viel von dem, was vorgeht, und wie einfache Menschen leider oft in die Irre geführt werden. Wir wissen auch, dass einige dieser Leute mit der Universität zu tun haben und dass sie alle jungen Menschen verführen wollen, derer sie habhaft werden können. Sie tun zunächst ganz freundlich, haben aber nur ein Ziel: die unglücklichen jungen Menschen auszunützen und zuletzt zu vernichten.«
»Ich werde aufpassen, Vater.«
»Dich würden sie natürlich nie auf ihre Seite bekommen, aber andere schon. Du sollst deshalb mehr als nur aufpassen, William, du sollst dich wachsam umsehen. Wenn dir etwas auffällt, das dir verdächtig scheint – man weiß nie, was am Ende wichtig ist –, rede mit niemandem darüber, sondern berichte es mir. Ich werde dann die entsprechenden Nachforschungen anstellen. Damit kannst du deinem Land einen großen Dienst erweisen.« Er machte erneut eine Pause, musterte William eindringlich und legte ihm wieder die Hand auf die Schulter. »Du magst einwenden, das sei nicht ehrenhaft gehandelt. Die fragliche Person könnte ja ein Freund sein. Aber wir beide, du und ich, wir sind etwas Höherem verpflichtet. Und ich versichere dir, du erweist deinem Freund den besten Dienst, indem du ihn vor einem Tun bewahrst, das er später bitter bereuen würde.«
»Ja.« William wartete. »Noch etwas, Vater?«
»Nein, William, das ist, glaube ich, alles.« Hercules nickte. Dann fügte er, wahrscheinlich in Erinnerung an etwas, das sein Vater einst zu ihm gesagt hatte, hinzu: »Gott segne dich, mein Sohn.«
Zehn Minuten später saß William auf seinem Bett und starrte niedergeschlagen zum Fenster hinaus. So traf ihn sein jüngerer Bruder an.
»Was ist denn, William?«
»Vater wollte mich sprechen.« William starrte weiter aus dem Fenster.
»Ah. Was hat er gesagt?«
»Er sagte, ich solle an der Universität meine Freunde ausspionieren.«
»Ach William, so was tust du doch nicht.«
»Ich solle ein Spitzel der Behörden sein. Das sei meine Pflicht.« William schwieg einen Augenblick. »Sonst hatte er mir nichts zu sagen, nichts.« Er sah seinen Bruder an. In seinen Augen standen Tränen. »Offenbar gibt es nicht mehr zu sagen. Das ist seine Art, seine Liebe auszudrücken.«
***
In den folgenden Monaten genoss William das Collegeleben in vollen Zügen und widmete sich seinem Studium. Der Unterricht in Dublin galt als noch anspruchsvoller als der von Oxford und Cambridge. Die Lage der Universität war unvergleichlich.
***
Die großen Innenhöfe und Gebäude des Trinity College bildeten ein beeindruckendes Ensemble. Trat man durch den Haupteingang zum College Green hinaus, grüßte einen direkt von gegenüber das großartige Parlamentsgebäude. Dahinter führte die Dame Street am Theater vorbei zur Burg und zur königlichen Börse, gleichfalls einem schönen klassizistischen Gebäude. Schlenderte man die wenigen Meter zum Ufer des Liffey, sah man auf der anderen Seite des Flusses die stattliche Fassade des wenige Jahre zuvor fertig gestellten Zollhauses. Blickte man stromaufwärts, kam der Blick auf der Rotunde und der Kuppel des Gerichtsgebäudes Four Courts zu ruhen. Überall, auf beiden Seiten des Flusses, erstreckten sich bis zum Hafen die breiten Straßen und weitläufigen Plätze des georgianischen Dublin.
Gelegentlich sah William seinen Vater aus dem Parlamentsgebäude treten, und zwei- oder dreimal besuchte ihn seine Großmutter Georgiana. Sie ließ sich dann von ihm das College zeigen, und wenn sie einem seiner Professoren oder Kommilitonen begegneten, wollte sie dem Betreffenden vorgestellt werden. Ihr Ruf eilte ihr voraus. Selbst diejenigen Kommilitonen, die William sonst eher mieden, lächelten, wenn sie der gütigen alten Lady Mountwalsh begegneten.
Leider wurde William von einer ganzen Reihe von Studenten gemieden.
Nicht alle Studenten hatten eine ausgeprägte politische Meinung – vielleicht die Hälfte, vermutete er. Er wusste nicht einmal, ob er selbst eine hatte. Es gab gegenwärtig vor allem zwei Lager: das der Anhänger
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