Die Rebellen von Irland
besten Willen konnte Patrick sich den braven Doktor nicht mit einer Muskete auf der Straße vorstellen. Außerdem wusste er nicht, wieweit er sich auf dessen Verschwiegenheit verlassen konnte.
»Sie haben Ihren jüngsten Sohn mitgebracht«, sagte Patrick also, um das Thema zu wechseln.
»Robert. Sie kennen ihn nicht?«
»Nein.« Tatsächlich war Patrick dem jungen Mann noch nie begegnet. Er kannte allerdings dessen Bruder, den Anwalt Tom Emmet. Und er wusste, dass Tom Emmet mit Wolfe Tone befreundet war und ganz sicher über dessen Reise nach Frankreich im Bilde war. Ob der alte Doktor davon auch gehört hatte? Wohl kaum. Patrick hörte also stumm zu, während Emmet sich über die mathematischen Fähigkeiten Roberts erging. Dann wurden die Gäste zum Essen gerufen.
Die Speisen waren von erlesener Qualität. Bereits am Vortag war ein Wagen aus Fingal eingetroffen, beladen mit Gemüse, verschiedenen Käsesorten, einem halben Ochsen, geräucherten Schinken und eingemachtem sowie frischem Obst, aus dem der Koch verschiedene Desserts zubereitet hatte. Das Essen wurde von zehn Dienern serviert. Das chinesische Geschirr, auf dem das Familienwappen und die Baronskrone prangten, verlieh dem geselligen Beisammensein etwas Herrschaftliches.
Lord und Lady Mountwalsh saßen wie immer in der Mitte der Tafel einander gegenüber, und da mehr Männer als Frauen anwesend waren, saßen Patrick und der junge William nebeneinander am einen Ende der Tafel, was Patrick nur recht war. Dank Hercules’ Abneigung gegen ihn hatte er kaum je Gelegenheit, mit William zu sprechen, und William stellte sich zu seinem Entzücken als liebenswürdiger und aufgeschlossener junger Mann heraus. Er machte einen aufgeweckten Eindruck und sah dem alten Fortunatus verblüffend ähnlich. Patrick mied sorgfältig politische Themen, die den Vater des Jungen hätten verärgern können. Zu seinem Leidwesen konnte er William auch nicht zu sich nach Hause einladen und ihn Brigid und den Kindern vorstellen. Als sie das Früchtegelee-Dessert verspeisten, kam William zu Patricks Überraschung selbst auf das Thema zu sprechen.
»Warum verstehen Sie und mein Vater sich eigentlich nicht?«, fragte er ohne Ankündigung.
Patrick zögerte. Er wollte William eine ehrliche Antwort geben, musste aber vorsichtig sein.
»Dein Vater ist ein tüchtiger Mann«, begann er. Eine notwendige Lüge, wie er fand. »Er genießt meine Hochachtung.« Noch eine Lüge. »Aber ich entstamme der katholischen Linie der Familie und unterstütze politische Ziele, die dein Vater für falsch und sogar gefährlich hält. Er hat also allen Grund, mich nicht zu mögen, und statt es zum Streit kommen zu lassen, weicht er mir lieber aus.«
»Können solche Meinungsverschiedenheiten denn verwandtschaftliche Bande sprengen?«
»Leider ja.«
»Aber ich finde Sie gar nicht schlimm.«
Patrick lächelte. »Du kennst mich nicht. Wer von seinem Cousin gekränkt wird, tut vielleicht gut daran, die Beziehung zu ihm zu beenden. Dein Vater hat wahrscheinlich Recht.«
In diesem Augenblick trat Hercules Walsh durch die Tür des Speisezimmers.
***
Patrick sah von seinem Platz, wie Georgianas Gesicht plötzlich versteinerte. Lord Mountwalsh dagegen, von einem halben Jahrhundert diplomatischer Erfahrung gestählt, verzog keine Miene. Dann strahlte er und rief: »Mein lieber Sohn! Willkommen daheim in Dublin. Leisten Sie uns Gesellschaft.« Er winkte einem Diener. »Bring ihm einen Stuhl. Wie ich mich freue, Sie zu sehen.«
»Ich ging zuerst zu mir nach Hause und erfuhr dort, mein Sohn sei hier«, erwiderte Hercules ruhig.
»Das ist er tatsächlich«, rief Mountwalsh. »William, komm und begrüße deinen Vater.«
Doch es war zu spät. Hercules ließ den Blick bereits den Tisch entlangwandern. Er musterte Doktor Emmet kurz und verächtlich, übersah den Geistlichen und einen gemäßigten Politiker und starrte dann William und Patrick unverwandt an.
»Steh auf, William«, sagte er kalt. »Du gehst sofort.«
Die Gäste verstummten.
Lord Mountwalsh brach das Schweigen. »Sie befinden sich in meinem Haus, Hercules«, sagte er unwillig. Hercules beachtete ihn nicht. Er starrte nur weiter seinen Sohn an und winkte ihm ungeduldig mit der Hand.
»Ich sagte, Sie befinden sich in meinem Haus, mein Herr«, wiederholte der Lord lauter.
Hercules würdigte seinen Vater keines Blickes. »Aber ich lege keinen Wert auf die Gesellschaft, die ich hier vorfinde.« Der junge William wurde rot vor Verlegenheit und stand
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