Die Rebellen von Irland
Aufrichtigkeit und dein Mut gereichen dir zu Ehre«, sagte er gerührt. »Aber du bist noch zu jung für so etwas, William. Wenn du willst, komme in einigen Jahren wieder. Auch deine Kommilitonen sind noch jung und wissen nicht, was sie tun. Studiere weiter und warte ab. Deine Zeit wird kommen. Doch ich fühle mich geehrt, dass du dich mir anvertraut hast.«
»Sie wollen mir den Eid nicht abnehmen?«
»Nein. Lass die Finger davon.«
Der junge William ging geknickt. Patrick setzte sich, schloss die Augen und lächelte.
Wenn der Junge volljährig wird, dachte er, ist das neue Irland schon da, so Gott will. Der junge William Walsh war der geborene Anführer, einer der besten. Patrick war unwillkürlich ein wenig stolz auf seine Familie.
***
Es ist schrecklich für eine Frau, ihren einzigen Sohn zu hassen. Doch Georgiana konnte nicht anders, sie hasste ihren Sohn. Sie gab ihm die Schuld am Tod seines Vaters – die Szene, die Hercules in ihrem Haus gemacht hatte, hatte zweifellos seinen Schlaganfall verursacht. Ihr Mann hatte sich seit Jahren nicht mehr so aufgeregt und hätte in Anbetracht seines ruhigen Lebensstils noch zehn Jahre oder mehr leben können. Beim Begräbnis hatte Hercules zwar eine angemessen ernste Miene aufgesetzt, aber Georgiana glaubte nicht, dass er wirklich trauerte. Als sie ein, zwei Tage später in einem Wutanfall geschrien hatte, er habe ihn getötet, hatte er diesen Vorwurf nur kurz angebunden als absurd zurückgewiesen. Auch dass die Dubliner Gesellschaft mit Georgiana einer Meinung war, tröstete sie nicht.
Um des Ansehens der Familie willen verbarg sie in der Öffentlichkeit ihren Hass auf Hercules.
Ihr Trost waren ihre Tochter Eliza, die in der Nähe wohnte, Patrick, den sie häufig sah, und ihre Enkel, vor allem natürlich ihr Lieblingsenkel William, den sie gelegentlich in Trinity besuchte. Der Tod ihres Mannes hatte Georgianas Leben noch auf andere Weise verändert. Ihr war gar nicht bewusst gewesen, wie sehr ihr Mann sie beschützt hatte. Das Tun der Troika, die radikalen Ideen Patricks und seiner Freunde und die Zornesausbrüche Hercules’ mochten sie erregt und beunruhigt haben, doch an der Seite ihres Mannes mit seinen unerschütterlichen politischen Überzeugungen hatte sie sich immer geborgen gefühlt. Jetzt dagegen fühlte sie sich vielem schutzlos ausgeliefert und sie empfand eine ganz neue Unruhe und Sorge. Einige hässliche Vorfälle verstärkten dieses Gefühl.
Von Doyle erfuhr sie mit Schrecken von der Verhaftung und Auspeitschung der mit ihr verwandten Laws in Ulster. Auch die Andeutung Patricks, die Franzosen würden bald ein zweites Mal kommen, beunruhigte sie.
Anfang November verließ Georgiana Dublin in aller Stille und kehrte für den Winter nach Mount Walsh zurück.
Zu Georgianas Überraschung half ihr das Leben in Wexford, die politischen Stürme besser zu verstehen, die in der Hauptstadt wüteten. Im Haus war die Stelle eines Dienstmädchens frei geworden. Die Haushälterin hatte wie üblich im Voraus zwei oder drei Mädchen ausgewählt, unter denen dann Georgiana ihre Wahl treffen sollte, hatte aber dazu bemerkt, sie hätte aus fünfzig Bewerberinnen auswählen können. Auf Georgianas überraschte Frage hin hatte sie erklärt: »Mindestens fünfzig, Mylady, und zur Hälfte des Lohns, den wir bieten. Es gibt heutzutage so viele junge Menschen, dass sie für beinahe nichts zu haben sind.«
Georgiana hatte zeit ihres Lebens verfolgt, wie Dublin immer größer und prächtiger wurde und wie die Stadt eine ganze Armee von Handwerkern, Händlern und Dienern anzog. Doch hatte sie nie daran gedacht, dass diese Armee zu einem großen Teil aus den ungeheuer gewachsenen Dörfern des Landes kam. Die Bevölkerung Irlands hatte sich in den vergangenen fünfzig Jahren auf fünf Millionen Menschen verdoppelt.
»Leiden diese Menschen Not?«, fragte sie.
»Sie sind empört darüber, dass Nahrung so teuer ist, Mylady, aber sie leiden keinen Hunger.« Die Stimme der Haushälterin nahm einen warnenden Ton an. »Doch ich persönlich halte es für schlimm, wenn die einfachen Leute unzufrieden sind und nichts zu tun haben.«
Im November war die schlechte Stimmung unter den Bauern der Dörfer nicht mehr zu übersehen. Die militärischen Aktionen der Troika kosteten Geld. Neue Steuern wurden erhoben. Georgiana wusste aus den Büchern von Mount Walsh, dass die Abgaben auf Salz und Malz die Grundbesitzer und Bauern trafen. Vor allem in Wexford schmälerte die Malzsteuer den
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