Die Rebellen von Irland
Bibel aus und Moore wich zurück. Endlich stand er mit dem Rücken zur Wand. Er saß in der Falle. Entweder der Vizekanzler zwang ihn jetzt, das Buch zu essen, oder er ließ von seinen Versuchen ab. Einige Freisassen lachten. William lachte nicht. Er verspürte nicht einmal Angst, nur Überdruss und Abscheu.
»Setzen Sie sich, Sir.«
FitzGibbon kehrte zum Tisch zurück und legte die Bibel darauf. Dann rief er den nächsten Namen auf.
»Mr Robert Emmet.«
Stille.
»Mr Emmet.«
Stille.
»Ist Mr Emmet nicht anwesend?« FitzGibbon schien nicht überrascht. »Wir haben viele Beweise für seine verschwörerischen Umtriebe.« Er machte eine Pause und starrte auf die Bibel. Ihm schien etwas eingefallen zu sein. Bis jetzt hatte er nur widerspenstige Studenten befragt. Vielleicht hielt er es für an der Zeit, jemanden aufzurufen, der zur Zusammenarbeit bereit war. Er ließ den Blick über die Anwesenden wandern.
»Der Ehrenwerte William Walsh.« Er sah William an. »Mr Walsh.«
William ging langsam nach vorn. Er spürte die Blicke der Anwesenden auf sich. Er konnte sich in etwa vorstellen, was sie dachten. Die, die ihn kannten, mochten überlegen, ob er nicht trotz seiner Zurückhaltung unter dem Einfluss von Emmet zu einem Anhänger der revolutionären Sache geworden war. Die meisten würden allerdings annehmen, dass er als Sohn von Lord Mountwalsh den Behörden nahe stand. Sie glaubten bestimmt, dass es sich hier um eine vorher arrangierte Befragung handelte und FitzGibbon ihn aufrief, weil er jemanden denunzieren sollte. William ließ sich Zeit, weil er immer noch keine Ahnung hatte, was er gleich sagen würde.
Doch dann war er auf dem Podium angelangt und FitzGibbon blickte ihm entgegen, keineswegs drohend, wie es schien. William meinte beim Näherkommen sogar zu bemerken, dass der zweite Richter ihn mit einem kaum merklichen Nicken begrüßte.
»Mr Walsh.« Die Anrede schien an alle gerichtet. »Sie haben gehört, wie einige Mitglieder dieser Universität sich weigerten, den ihnen angebotenen Eid zu schwören. Sie hatten dafür jeweils einen bestimmten Grund: nämlich dass sie nachweislich in aufrührerische Umtriebe verwickelt sind. Doch sind sie, wenn ich so sagen darf, die schlechten Äpfel im Korb. Viele Mitglieder dieser Universität – bei weitem die meisten, sollte ich sagen – sind vernünftige und staatstreue Bürger und bereit, einen Eid abzulegen, der sie lediglich dazu verpflichtet, sich des Hochverrats zu enthalten und Verräter anzuzeigen, wenn sie auf solche aufmerksam werden. Ich reiche Ihnen jetzt die Heilige Schrift, Mr Walsh, und bitte Sie, diesen Eid abzulegen.« Lächelnd nahm er die Bibel und hielt sie William hin.
William wusste immer noch nicht, was er tun sollte. Er starrte das Buch an.
FitzGibbon bemerkte sein Zögern und runzelte mehr verwirrt als verärgert die Stirn. Er wies mit einem Nicken auf das Buch, als hätte William vergessen, was er tun sollte.
»Legen Sie Ihre Hand auf das Buch«, sagte er ruhig.
William rührte sich immer noch nicht. Seltsamerweise hatte er keine Angst. Er sah, wie ein gefährliches Funkeln in FitzGibbons Augen trat, und da wusste er plötzlich, was er sagen wollte.
»Ich kann den Eid nicht ablegen, Mylord«, sagte er ruhig und deutlich. Sogar die Hausmeister am hinteren Saalende konnten ihn hören.
»Sie können nicht, Sir?«
»Kein Gentleman könnte diesen Eid ablegen.«
»Kein Gentleman, Sir?« Der Vizekanzler hatte die Stimme erhoben. Er war wütend und zugleich ratlos. »Ich selbst wäre stolz darauf, ihn abzulegen, Sir«, rief er.
»Dann seid Ihr kein Gentleman«, hörte William sich sagen.
Im Saal wurde es totenstill. FitzGibbon starrte William wie vom Donner gerührt an. Dann knallte er das Buch so laut auf den Tisch, dass alle zusammenzuckten.
»Und was Sie sind, junger Mann, das werden wir noch sehen. Eine solche Schamlosigkeit! Setzen sie sich, Sir, denn Sie werden hier nie wieder sitzen.«
Zwanzig Studenten wurden an diesem Tag der Universität verwiesen. Bevor der Vizekanzler ihre Namen verlas, erklärte er den Anwesenden, was dieser Verweis bedeutete. Niemand solle glauben, dass sie nur in Dublin nicht mehr die Universität besuchen dürften. Auch alle gelehrten Schulen Englands und Schottlands würden schriftlich verständigt, damit sie auch dort keine Aufnahme fänden. Damit sei ihnen jede Aussicht auf eine Karriere genommen.
Die Ausschlüsse, darunter natürlich auch der Robert Emmets, waren alle von vornherein beschlossene
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